Frauen sind deutlich häufiger von Kreuzbandrissen betroffen als Männer. Bei der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie ist von einem „mindestens zweimal“ höheren Risiko die Rede, andere Quellen gehen von einem vierfach erhöhten Risiko aus. Internationale Studien kamen sogar zu dem Schluss, dass Sportlerinnen achtmal so oft Kreuzbandrisse erleiden wie Sportler.
Mit Beginn der Pubertät verändert sich der Körper der Frau durch die Sexualhormone auf eine Weise, die ihn anfälliger für bestimmte Verletzungen macht, darunter Kreuzbandrisse. Eine besondere Rolle kommt dem Q-Winkel zu. Dabei handelt es sich um das Knie-zu-Hüfte-Verhältnis, also den Winkel, den das Bein von der Hüfte zum Knie hat. Dieser ist bei Frauen größer als bei Männern, was bei ihnen eine leichte X-Bein-Stellung verursacht.
Dr. Stacy Sims, Sportphysiologin und Ernährungswissenschaftlerin aus den USA, erläuterte in einem Podcast, was im Frauenkörper passiert: „Der Schwerpunkt verlagert sich von der Brust runter in den Bauchbereich, weil sich ihre Hüfte verbreitert. Die Schultern weiten sich ebenfalls und das verändert den Winkel der Knie im Verhältnis zu den Hüften.“
Der Q-Winkel wird mit dem erhöhten Risiko von Frauen für Kreuzbandrisse in Verbindung gebracht. Männer, die weniger breite Hüften und einen kleineren Winkel haben, stehen aufrechter, ihre Beine verlaufen von der Hüfte zum Boden „gerader“. Da der Körperschwerpunkt zudem höher ist, wird etwa bei einem Sprung die Kraft, die bei der Landung auf die Knie einwirkt, gleichmäßig verteilt. Das bedeutet ein geringeres Risiko für Verletzungen. „Durch die breiteren Hüften verlaufen die Beine der Frau dagegen in einem Winkel zum Knie, die einwirkenden Kräfte verteilen sich deshalb nicht so gleichmäßig wie bei Männern. Außerdem haben Frauen durch ihren Körperbau eine Quadrizeps-Dominanz“, erklärte Sims. Das bedeutet, dass sie ihre Oberschenkelmuskeln (Quadrizeps) bei Beinbewegungen übermäßig stark benutzen. Die Folge: Bei gewissen Bewegungen wie z. B. Sprüngen ist die Krafteinwirkung auf das Knie deshalb größer. Die X-Bein-Stellung bei Frauen sorgt zudem dafür, dass sich das Knie eher nach innen bewegt, was auch eine höhere Belastung für das Knie und seine Bänder bedeutet.
Die Rolle des Q-Winkels für sportliche Performance sowie Verletzungsrisiken ist zunehmend Gegenstand von Forschung, wenn auch bei Weitem noch nicht vollständig verstanden. Es gibt aber wissenschaftliche Hinweise dafür, dass ein größerer Q-Winkel das Risiko für Kreuzbandrisse sowie Fußgelenkverletzungen erhöht.