huelin
Quite clear, no doubt, somehow
Unvermeidliches Thema in den Medien ist zur Zeit natürlich der 20. Jahrestag der Maueröffnung am 9. November 1989. Und auch zwanzig Jahre danach berühren mich die Berichte von damals immer noch, denn dieser friedliche Umsturz war etwas historisch Einmaliges, worauf alle Beteiligten noch immer mit Recht stolz sein können.
Mein persönliches Erleben des Mauerfalls war zudem für einen Wessi geradezu schicksalhaft. Ich wohnte damals seit zwei Jahren aus beruflichen Gründen in Sinsheim (heute muss man niemandem mehr erklären, wo das liegt), war aber unzufrieden mit dem kleinstädtischen Umfeld, das irgendwie überhaupt nicht zu mir passte. Und dann dieser schreckliche Dialekt...
Daher beschloss ich eines Tages, mir Arbeit in der Stadt zu sorgen, in der schon meine Mutter Abitur gemacht hatte, die aber lange Jahre als Wohnsitz für mich nicht in Frage gekommen war, nämlich Berlin. Inzwischen schien mir aber die politische Situation wegen Gorbatschow und der Entwicklung in der DDR so entspannt, dass mich der Schritt nach Berlin keine Überwindung mehr kostete.
Wir schrieben den 4. November 1989, als ich bei meinem langjährigen Münsteraner Kumpel in Kreuzberg eintraf. Schon nach ein paar Tagen hatte ich das Glück, dass im Haus von anderen Freunden von mir zum neuen Jahr eine Wohnung frei wurde, und so machte ich sofort den Mietvertrag klar. Danach begab ich mich auf Jobsuche.
Am 9. November morgens machten wir noch einen "historischen Spaziergang (wie sich später herausstellte) entlang der Mauer, wo mir wie immer die absolute Ruhe und Leere auffiel. Kein Verkehr, freie Parkplätze en masse das exakte Gegenteil von dem, was sich nur ein paar Tage später an gleicher Stelle abspielen sollte. Und über den Computer im Gang des Arbeitsamts kam ich am gleichen Morgen an die Nummer einer kleinen Softwarefirma (ich war damals Programmierer), wo ich mich am nächsten Tag vorstellen sollte.
Abends saßen wir dann zusammen und guckten die Berliner Abendschau, die in jenen Tagen zum absoluten Pflichtprogramm gehörte. Ich weiß nicht mehr genau, ob es live war oder eine Wiederholung, aber dann kam der berühmte Satz von Schabowski: "Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt.. und auf eine genauere Nachfrage: "Das tritt nach meiner Kenntnis ist das sofort, unverzüglich.
Ich sagte sofort zu meinem Kumpel: "Ey, die Mauer ist auf!. Da der allerdings eher einer von der phlegmatischen Sorte ist (sein Motto: Wenn ich einen Parkplatz gefunden habe, geh ich nicht mehr aus dem Haus), meinte er nur: "Ach was, das kann nicht sein, die labern viel... Ich bestand aber weiter darauf, sofort an die Mauer zu fahren bis schließlich ein anderer Kumpel anrief (der eher als Hektiker und Wirbelwind bekannt ist), der uns alle in seinem VW-Bus abholen und zur Mauer fahren wollte.
Mit acht Mann fuhren wir schließlich zum Übergang Invalidenstraße, wo auch schon die DDR-Bürger in Massen hineinströmten, und auch olle Momper samt Ansprache seine Aufwartung machte. Nach einer Zeit wurden wir von einem Trabifahrer in tiefstem Sächsisch gefragt: "Wö gehtsn hier züm Güühdamm?. Da wir auch vorhatten, uns das Spektakel dort reinzuziehen, meinten wir, er solle uns einfach hinterher fahren. Und dann blieben wir bis zum Morgengrauen auf der großen Party am Kudamm, und erlebten u.a. die berümte Szene, wo die Leute dem BVG-Bus mit der (Wodka) Gorbatschow-Reklame zujubelten...
Nach sehr wenig Schlaf ging ich dann am nächsten Tag zu meinem Bewerbungsgespräch. Mein zukünftiger Chef hatte abends noch intensiv gearbeitet und die Nachricht von der Maueröffnung erst morgens im Radio erfahren. So fragte er mich erst mal mindestens eine halbe Stunde lang über das große Ereignis aus - bis wir merkten, dass das ja eigentlich ein Bewerbungsgespräch war...
Anschließend begab ich mich noch zum Checkpoint Charlie, wo Medienvertreter aus aller Welt über die hineinströmenden DDR-Bürger berichteten. Ein australisches Nachrichtenteam interviewte gerade ein paar Neuankömmlinge, wand sich aber dann plötzlich an mich als (erkennbaren) Wessi, mit der Frage, wie ich das denn sehe. "Jetzt sind alle noch begeistert, aber ich befürchte, das wird nach sehr viele Probleme geben., waren meine prophetischen Worte...
Und ein letztes Erlebnis in jenen Tagen möchte ich euch auch nicht vorenthalten. Ich musste an einem Bankautomaten Geld ziehen, aber wegen des Begrüßungsgeldes gab es überall lange Schlangen vor den Banken, selbst vor den Automaten. In dieser Schlange stand vor mir ein Typ mit den damals für Ossis typischen Stone-Washed-Klamotten, und so meinte ich zu ihm: "Begrüßungsgeld gibt's aber drinnen". Er schaute mich nur entgeistert an und antwortete völlig empört: "Ick bin doch keen Ossiii!"
So, nach diesem langen Erlebnisbericht bin ich natürlich vor allem darauf gespannt, wie die ehemaligen DDR-Bürger unter uns den Mauerfall damals erlebt haben. Aber ich schätze, da hat jeder von uns, ob Wessi oder Ossi, sofort seine Geschichte parat. Es war eben eine unvergleichliche Sternstunde in der Geschichte unseres Volkes - und eigentlich auch der gesamten Menschheit!
Mein persönliches Erleben des Mauerfalls war zudem für einen Wessi geradezu schicksalhaft. Ich wohnte damals seit zwei Jahren aus beruflichen Gründen in Sinsheim (heute muss man niemandem mehr erklären, wo das liegt), war aber unzufrieden mit dem kleinstädtischen Umfeld, das irgendwie überhaupt nicht zu mir passte. Und dann dieser schreckliche Dialekt...

Daher beschloss ich eines Tages, mir Arbeit in der Stadt zu sorgen, in der schon meine Mutter Abitur gemacht hatte, die aber lange Jahre als Wohnsitz für mich nicht in Frage gekommen war, nämlich Berlin. Inzwischen schien mir aber die politische Situation wegen Gorbatschow und der Entwicklung in der DDR so entspannt, dass mich der Schritt nach Berlin keine Überwindung mehr kostete.
Wir schrieben den 4. November 1989, als ich bei meinem langjährigen Münsteraner Kumpel in Kreuzberg eintraf. Schon nach ein paar Tagen hatte ich das Glück, dass im Haus von anderen Freunden von mir zum neuen Jahr eine Wohnung frei wurde, und so machte ich sofort den Mietvertrag klar. Danach begab ich mich auf Jobsuche.
Am 9. November morgens machten wir noch einen "historischen Spaziergang (wie sich später herausstellte) entlang der Mauer, wo mir wie immer die absolute Ruhe und Leere auffiel. Kein Verkehr, freie Parkplätze en masse das exakte Gegenteil von dem, was sich nur ein paar Tage später an gleicher Stelle abspielen sollte. Und über den Computer im Gang des Arbeitsamts kam ich am gleichen Morgen an die Nummer einer kleinen Softwarefirma (ich war damals Programmierer), wo ich mich am nächsten Tag vorstellen sollte.
Abends saßen wir dann zusammen und guckten die Berliner Abendschau, die in jenen Tagen zum absoluten Pflichtprogramm gehörte. Ich weiß nicht mehr genau, ob es live war oder eine Wiederholung, aber dann kam der berühmte Satz von Schabowski: "Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt.. und auf eine genauere Nachfrage: "Das tritt nach meiner Kenntnis ist das sofort, unverzüglich.
Ich sagte sofort zu meinem Kumpel: "Ey, die Mauer ist auf!. Da der allerdings eher einer von der phlegmatischen Sorte ist (sein Motto: Wenn ich einen Parkplatz gefunden habe, geh ich nicht mehr aus dem Haus), meinte er nur: "Ach was, das kann nicht sein, die labern viel... Ich bestand aber weiter darauf, sofort an die Mauer zu fahren bis schließlich ein anderer Kumpel anrief (der eher als Hektiker und Wirbelwind bekannt ist), der uns alle in seinem VW-Bus abholen und zur Mauer fahren wollte.
Mit acht Mann fuhren wir schließlich zum Übergang Invalidenstraße, wo auch schon die DDR-Bürger in Massen hineinströmten, und auch olle Momper samt Ansprache seine Aufwartung machte. Nach einer Zeit wurden wir von einem Trabifahrer in tiefstem Sächsisch gefragt: "Wö gehtsn hier züm Güühdamm?. Da wir auch vorhatten, uns das Spektakel dort reinzuziehen, meinten wir, er solle uns einfach hinterher fahren. Und dann blieben wir bis zum Morgengrauen auf der großen Party am Kudamm, und erlebten u.a. die berümte Szene, wo die Leute dem BVG-Bus mit der (Wodka) Gorbatschow-Reklame zujubelten...
Nach sehr wenig Schlaf ging ich dann am nächsten Tag zu meinem Bewerbungsgespräch. Mein zukünftiger Chef hatte abends noch intensiv gearbeitet und die Nachricht von der Maueröffnung erst morgens im Radio erfahren. So fragte er mich erst mal mindestens eine halbe Stunde lang über das große Ereignis aus - bis wir merkten, dass das ja eigentlich ein Bewerbungsgespräch war...
Anschließend begab ich mich noch zum Checkpoint Charlie, wo Medienvertreter aus aller Welt über die hineinströmenden DDR-Bürger berichteten. Ein australisches Nachrichtenteam interviewte gerade ein paar Neuankömmlinge, wand sich aber dann plötzlich an mich als (erkennbaren) Wessi, mit der Frage, wie ich das denn sehe. "Jetzt sind alle noch begeistert, aber ich befürchte, das wird nach sehr viele Probleme geben., waren meine prophetischen Worte...
Und ein letztes Erlebnis in jenen Tagen möchte ich euch auch nicht vorenthalten. Ich musste an einem Bankautomaten Geld ziehen, aber wegen des Begrüßungsgeldes gab es überall lange Schlangen vor den Banken, selbst vor den Automaten. In dieser Schlange stand vor mir ein Typ mit den damals für Ossis typischen Stone-Washed-Klamotten, und so meinte ich zu ihm: "Begrüßungsgeld gibt's aber drinnen". Er schaute mich nur entgeistert an und antwortete völlig empört: "Ick bin doch keen Ossiii!"

So, nach diesem langen Erlebnisbericht bin ich natürlich vor allem darauf gespannt, wie die ehemaligen DDR-Bürger unter uns den Mauerfall damals erlebt haben. Aber ich schätze, da hat jeder von uns, ob Wessi oder Ossi, sofort seine Geschichte parat. Es war eben eine unvergleichliche Sternstunde in der Geschichte unseres Volkes - und eigentlich auch der gesamten Menschheit!