Schabowskis beiläufige Ankündigung oder: Wie habt ihr den Mauerfall erlebt?

huelin

Quite clear, no doubt, somehow
Unvermeidliches Thema in den Medien ist zur Zeit natürlich der 20. Jahrestag der Maueröffnung am 9. November 1989. Und auch zwanzig Jahre danach berühren mich die Berichte von damals immer noch, denn dieser friedliche Umsturz war etwas historisch Einmaliges, worauf alle Beteiligten noch immer mit Recht stolz sein können.

Mein persönliches Erleben des Mauerfalls war zudem für einen Wessi geradezu schicksalhaft. Ich wohnte damals seit zwei Jahren aus beruflichen Gründen in Sinsheim (heute muss man niemandem mehr erklären, wo das liegt), war aber unzufrieden mit dem kleinstädtischen Umfeld, das irgendwie überhaupt nicht zu mir passte. Und dann dieser schreckliche Dialekt... :rolleyes:

Daher beschloss ich eines Tages, mir Arbeit in der Stadt zu sorgen, in der schon meine Mutter Abitur gemacht hatte, die aber lange Jahre als Wohnsitz für mich nicht in Frage gekommen war, nämlich Berlin. Inzwischen schien mir aber die politische Situation wegen Gorbatschow und der Entwicklung in der DDR so entspannt, dass mich der Schritt nach Berlin keine Überwindung mehr kostete.

Wir schrieben den 4. November 1989, als ich bei meinem langjährigen Münsteraner Kumpel in Kreuzberg eintraf. Schon nach ein paar Tagen hatte ich das Glück, dass im Haus von anderen Freunden von mir zum neuen Jahr eine Wohnung frei wurde, und so machte ich sofort den Mietvertrag klar. Danach begab ich mich auf Jobsuche.

Am 9. November morgens machten wir noch einen "historischen“ Spaziergang (wie sich später herausstellte) entlang der Mauer, wo mir wie immer die absolute Ruhe und Leere auffiel. Kein Verkehr, freie Parkplätze en masse – das exakte Gegenteil von dem, was sich nur ein paar Tage später an gleicher Stelle abspielen sollte. Und über den Computer im Gang des Arbeitsamts kam ich am gleichen Morgen an die Nummer einer kleinen Softwarefirma (ich war damals Programmierer), wo ich mich am nächsten Tag vorstellen sollte.

Abends saßen wir dann zusammen und guckten die Berliner Abendschau, die in jenen Tagen zum absoluten Pflichtprogramm gehörte. Ich weiß nicht mehr genau, ob es live war oder eine Wiederholung, aber dann kam der berühmte Satz von Schabowski: "Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt..“ und auf eine genauere Nachfrage: "Das tritt nach meiner Kenntnis… ist das sofort, unverzüglich.“

Ich sagte sofort zu meinem Kumpel: "Ey, die Mauer ist auf!“. Da der allerdings eher einer von der phlegmatischen Sorte ist (sein Motto: Wenn ich einen Parkplatz gefunden habe, geh ich nicht mehr aus dem Haus), meinte er nur: "Ach was, das kann nicht sein, die labern viel...“ Ich bestand aber weiter darauf, sofort an die Mauer zu fahren – bis schließlich ein anderer Kumpel anrief (der eher als Hektiker und Wirbelwind bekannt ist), der uns alle in seinem VW-Bus abholen und zur Mauer fahren wollte.

Mit acht Mann fuhren wir schließlich zum Übergang Invalidenstraße, wo auch schon die DDR-Bürger in Massen hineinströmten, und auch olle Momper samt Ansprache seine Aufwartung machte. Nach einer Zeit wurden wir von einem Trabifahrer in tiefstem Sächsisch gefragt: "Wö gehtsn hier züm Güühdamm?“. Da wir auch vorhatten, uns das Spektakel dort reinzuziehen, meinten wir, er solle uns einfach hinterher fahren. Und dann blieben wir bis zum Morgengrauen auf der großen Party am Kudamm, und erlebten u.a. die berümte Szene, wo die Leute dem BVG-Bus mit der (Wodka) Gorbatschow-Reklame zujubelten...

Nach sehr wenig Schlaf ging ich dann am nächsten Tag zu meinem Bewerbungsgespräch. Mein zukünftiger Chef hatte abends noch intensiv gearbeitet und die Nachricht von der Maueröffnung erst morgens im Radio erfahren. So fragte er mich erst mal mindestens eine halbe Stunde lang über das große Ereignis aus - bis wir merkten, dass das ja eigentlich ein Bewerbungsgespräch war...

Anschließend begab ich mich noch zum Checkpoint Charlie, wo Medienvertreter aus aller Welt über die hineinströmenden DDR-Bürger berichteten. Ein australisches Nachrichtenteam interviewte gerade ein paar Neuankömmlinge, wand sich aber dann plötzlich an mich als (erkennbaren) Wessi, mit der Frage, wie ich das denn sehe. "Jetzt sind alle noch begeistert, aber ich befürchte, das wird nach sehr viele Probleme geben.“, waren meine prophetischen Worte...

Und ein letztes Erlebnis in jenen Tagen möchte ich euch auch nicht vorenthalten. Ich musste an einem Bankautomaten Geld ziehen, aber wegen des Begrüßungsgeldes gab es überall lange Schlangen vor den Banken, selbst vor den Automaten. In dieser Schlange stand vor mir ein Typ mit den damals für Ossis typischen Stone-Washed-Klamotten, und so meinte ich zu ihm: "Begrüßungsgeld gibt's aber drinnen". Er schaute mich nur entgeistert an und antwortete völlig empört: "Ick bin doch keen Ossiii!" :hammer2:

So, nach diesem langen Erlebnisbericht bin ich natürlich vor allem darauf gespannt, wie die ehemaligen DDR-Bürger unter uns den Mauerfall damals erlebt haben. Aber ich schätze, da hat jeder von uns, ob Wessi oder Ossi, sofort seine Geschichte parat. Es war eben eine unvergleichliche Sternstunde in der Geschichte unseres Volkes - und eigentlich auch der gesamten Menschheit!
 
Schön geschrieben :top:

Ich für meinen Teil kann leider nicht viele Erinnerungen an diese Tage beisteuern. Zum Zeitpunkt des Mauerfalls war ich gerade mal viereinhalb Jahre alt, an damals habe ich absolut gar keine Erinnerungen was hier losgewesen ist.

Rückblickend finde ich das wahnsinnig schade. Zwar gibt es glücklicherweise mehr als genügend Dokumentationsmaterial, welches Jahr für Jahr in den Printmedien und im TV gezeigt wird, aber selbst dabei zu sein hat eine ganz andere Qualität.



Ist bei mir übrigens das selbe mit dem deutschen Weltmeistertitel 1990. Auch daran habe ich heute null Erinnerungen, dabei war ich damals fünf. Aber das nur am Rande...
 

huelin

Quite clear, no doubt, somehow
Ich für meinen Teil kann leider nicht viele Erinnerungen an diese Tage beisteuern. Zum Zeitpunkt des Mauerfalls war ich gerade mal viereinhalb Jahre alt, an damals habe ich absolut gar keine Erinnerungen was hier losgewesen ist.
Jou, das habe ich befürchtet, dass sich viele hier gar nicht mehr daran erinnern können. ;)

Hab übrigens noch vergessen zu erwähnen (obwohl man es sich eigentlich denken kann), wie es mir nach meiner Rückkehr in Westdeutschland erging. Alle fragten sie mich: "Wieso bist du gerade jetzt nach Berlin gefahren?" oder gar "Hast du das vorher gewusst?", und vor allem musste ich natürlich sehr viel erzählen...
 

kleinehexe

SF-Dschungelkönigin 2011 und PTL-Meister 2015/16
Ich war damals neun, und weiß nur noch dass meine Oma ganz viel geweint hat, weil sie sich so gefreut hat dass Deutschland wieder eins werden kann, und weil sie Freunde in der DDR hatte.

Mich hat das weniger berührt damals weil ich zu wenig wusste über die DDR und das als Kind nicht wirklich kapiert habe.

Aber, wenn ich heute die Bilder sehe vom 9. November, bin ich sehr berührt und verstehe warum mein Oma damals so geweint hat. Es ist einfach ergreifend, wenn sich fremde Menschen umarmen und sich einfach miteinander freuen - und dass diese blöde Mauer, die ein Volk so lange getrennt hatte, endlich verschwinden würde.
 

Princewind

Rassist und Lagerinsasse
Hier ist mal wieder diese Simplifizierung auf Berlin (klar, da stand die Mauer), aber das selbe hat sich in allen Grenzstädten zugetragen.

Die ersten Tage war ne Bombenstimmung, danach hat es sich ins Gegenteil gedreht, als Schwärme von Ossis wie Heuschrrecken eingefallen sind und jeden Laden geplündert haben. Ich frage mich immer noch, wo ham die so schnell alle D-Mark hergehabt. Meiner Oma haben sie den vollen Einkaufswagen geklaut, noch vor der Kasse. Du bist in Aldi rein (wenn du denn nen Parkplatz bekammst mang den Trabbies) und da waren mehr Ossis als Ware drinn....
 
Die ersten Tage war ne Bombenstimmung, danach hat es sich ins Gegenteil gedreht, als Schwärme von Ossis wie Heuschrrecken eingefallen sind und jeden Laden geplündert haben. Ich frage mich immer noch, wo ham die so schnell alle D-Mark hergehabt. Meiner Oma haben sie den vollen Einkaufswagen geklaut, noch vor der Kasse. Du bist in Aldi rein (wenn du denn nen Parkplatz bekammst mang den Trabbies) und da waren mehr Ossis als Ware drinn....


Ist doch heute (wenn auch im übertragenen Sinne) noch genau das Selbe. Wenn ein neuer Ikea oder MediaMarkt aufmacht ist der am Eröffnungstag auch brechend voll weil tausende von Menschen anscheinend noch nie einen solchen Laden von innen gesehen zu haben scheinen oder weil es am nächsten Tag ja ausverkauft sein könnte.
So eine ähnliche Dynamik dürfte es auch bei den Bürgern der neuen Bundesländer gegeben haben, nur finde ich diese im Vergleich zum obigen Beispiel noch halbwegs nachvollziehbar.
 

huelin

Quite clear, no doubt, somehow
Ich war damals neun, und weiß nur noch dass meine Oma ganz viel geweint hat, weil sie sich so gefreut hat dass Deutschland wieder eins werden kann, und weil sie Freunde in der DDR hatte.
Wobei mir und den meisten Leuiten in meinem Umfeld dieser Gedanke erst mal überhaupt nicht kam. Ich hatte starke Sympathien für die mutigen Initiatoren der Demos und ihr Motto "Wir sind das Volk". Das waren aber eher Leute, die dort bleiben und die DDR demokratisieren wollten, und nicht einfach westgeil wegen der Kohle waren - wie so viele andere, die später auf den Zug aufsprangen, und die dann mit den vielen Fahnen und ihrem "Wir sind ein Volk" kamen.

Heute seh ich das zwar ein bisschen anders, denn die Einheit war wohl unvermeidbar (unter anderem auch, weil sie Fakten schaffte, angesichts eines drohenden Militärputsches gegen Gorbi in der UdSSR). Dass dabei viele Fehler gemacht wurden und Kohl vor allem viel zu viel versprochen hat, ist wieder eine andere Sache. Und dass sich mancher DDR-Bürger mehr oder weniger "kolonialisiert" vorkam, verstehe ich gut.

Interessant finde ich unter diesem Aspekt ein Interview, das ich gestern abend noch auf HR3 aufgeschnappt habe. Walter Wallmann, eigentlich strammer CDU-Mann und damals hessischer Ministerpräsident, sagte am 10.11.89 sehr nachdenklich etwa Folgendes: "Ich habe die große Befürchtung, dass wir irgendwann im Osten mit unserem Geld und unseren Konzernen alles an uns reißen werden."
 

Princewind

Rassist und Lagerinsasse
So eine ähnliche Dynamik dürfte es auch bei den Bürgern der neuen Bundesländer gegeben haben, nur finde ich diese im Vergleich zum obigen Beispiel noch halbwegs nachvollziehbar.

Naja, wenn du das am eigenen Leib erfahren hast, dann wärst du auch am kotzen. Wisst einkaufen und es gibt nichts mehr. Beim neuen Media Markt kannst ja immer noch ausweichen, aber wenn alles leergegrast wurde, und für die Einheimischen so gut wie garnichts mehr da ist, dann kannste dir ja vorstellen, daß da die Stimmung sich schon mal ins Gegenteil verkehrt hatte.

Ich kann mich immer noch sehr gut an eine Aussage meiner Oma erinnern: Da gibt es nochn Laden, den haben sie noch nicht gefunden.....

Aber das war halt ein paar Tage später, anfangs war die Freude groß.
 

huelin

Quite clear, no doubt, somehow
Hier ist mal wieder diese Simplifizierung auf Berlin (klar, da stand die Mauer), aber das selbe hat sich in allen Grenzstädten zugetragen.
In Berlin ging halt alles los, das ist das Entscheidende.

Die ersten Tage war ne Bombenstimmung, danach hat es sich ins Gegenteil gedreht, als Schwärme von Ossis wie Heuschrrecken eingefallen sind und jeden Laden geplündert haben.
Das mit den Schwärmen ging aber eigentlich sofort nach der Maueröffnung los. Selbst im grenzfernen Sinsheim, wo ich mangels interessierter Bekannter beim örtlichen Wohnungsamt nach einen Nachmieter fragte, hatten die wenige Tage nach der Maueröffnung schon eine ellenlange Liste von Ossis, die eine Wohnung suchten.
 

kleinehexe

SF-Dschungelkönigin 2011 und PTL-Meister 2015/16
Meine Oma hat irgendwann später mal gesagt, sie wusste dass damals, weil so ein Unrecht wie die Teilung eines Volkes niemals für immer sein kann. Einfach so, ohne groß zu begründen. Für sie war damals klar, wenn die DDR-Bürger wieder zu uns rüber dürfen, dann müssen gleich Nägel mit Köpfen gemacht werden.

Ich selbst, rückblickend, denke auch dass die Menschen in der DDR letzendlich mit der kompletten Wiedervereinigung genau so überfahren wurden wie wir. Und der Freudentaumel der ersten Tage ist ja recht flott wieder verflogen. Ich kann mich noch gut an Bekannte erinnern aus der DDR,die ziemliche Einschnitte hinnehmen mussten (unabhängig jetzt ob die DDR als Staat am Ende war). In der DDR waren die beiden Doppelverdiener in Dresden ,dann wurde sie arbeitslos, die Ganztagsbetreuung der Tochter fiel auch weg, und er musste dann auf Montage um überhaupt noch Geld zu verdienen.
 
Naja, wenn du das am eigenen Leib erfahren hast, dann wärst du auch am kotzen. Wisst einkaufen und es gibt nichts mehr.

Glaube ich gerne, nur kann ich zumindest teilweise schon verstehen dass man mit der neugewonnenen Freiheit auch gleich mal wirklichen "Konsum" ausprobieren möchte. Es wurde ja damals bestimmt nicht eingekauft, weil man eben musste, sondern eben mehr als große Eventveranstaltung "shoppen im Westen".
Auch wenn ich heute sagen würde, dass ich an dieser Stelle erstmal einige Tage mit dem ersten Einkauf im Westen abgewartet hätte bis sich das ganze etwas legen würde - am Ende wäre ich dann bestimmt doch so schnell wie möglich "rüber" gegangen



Ich selbst, rückblickend, denke auch dass die Menschen in der DDR letzendlich mit der kompletten Wiedervereinigung genau so überfahren wurden wie wir.

Hätte man die Wiedervereinigung den in mehreren Etappen vollziehen sollen?
 

Litti

Krawallbruder
Ich war 15, und mein erster Gedanke war "Scheisse, jetzt haben wir das ganze Gesocks am Arsch".

Und da denke ich 20 Jahre später nicht anders darüber.
 

Princewind

Rassist und Lagerinsasse
Glaube ich gerne, nur kann ich zumindest teilweise schon verstehen dass man mit der neugewonnenen Freiheit auch gleich mal wirklichen "Konsum" ausprobieren möchte. Es wurde ja damals bestimmt nicht eingekauft, weil man eben musste, sondern eben mehr als große Eventveranstaltung "shoppen im Westen".
Auch wenn ich heute sagen würde, dass ich an dieser Stelle erstmal einige Tage mit dem ersten Einkauf im Westen abgewartet hätte bis sich das ganze etwas legen würde - am Ende wäre ich dann bestimmt doch so schnell wie möglich "rüber" gegangen





Hätte man die Wiedervereinigung den in mehreren Etappen vollziehen sollen?


Naja, zumindestens da es ja bei uns auch nicht viel anderes gab, zumindestens nicht bei ALdi und CO, als im Osten. Verhungert ist da ja auch keiner. Und Eier sind Eier, drüben wie hier.


Hätte man warten sollen? Das ist nen anderes Thema, aber dazu sage ich ja, das hätte dem Osten die Schwärme von westlichen Heuschrecken erspart, die da nur schnelles Geld machen wollten. Aber Helmut wollte sich da ja nen Denkmal setzen und in der DDR (wie auch in der BRD) hatte niemand richtig den Mut gegen die übers Knie gebrochene Wiedervereinigung was zu sagen. Step by Step wäre es wohl 1) besser gewesen und 2) günstiger gekommen und 3) würde die Kluft nicht nach wie vor so breit sein.
 

huelin

Quite clear, no doubt, somehow
Hätte man warten sollen? Das ist nen anderes Thema, aber dazu sage ich ja, das hätte dem Osten die Schwärme von westlichen Heuschrecken erspart, die da nur schnelles Geld machen wollten. Aber Helmut wollte sich da ja nen Denkmal setzen und in der DDR (wie auch in der BRD) hatte niemand richtig den Mut gegen die übers Knie gebrochene Wiedervereinigung was zu sagen. Step by Step wäre es wohl 1) besser gewesen und 2) günstiger gekommen und 3) würde die Kluft nicht nach wie vor so breit sein.
Das war eigentlich auch immer meine Meinung. Vor allem war Kohl ja 1990 sehr clever, denn durch den (finanztechnisch künstlich herbeigeführten) 1:1-Umtausch waren die Ostdeutschen zufrieden, und die westdeutsche Industrie profitierte kurzfristig von deren Kaufkraft. Dass er in so einer Situation, die sich schon bald ins Gegenteil umkehren sollte, gewählt wurde, war klar. Wer will auch schon gerne die unbequeme Wahrheit hören, wie sie Lafontaine damals verkündete?

Trotzdem sehe ich bei der schnellen Wiedervereinigung auch den weltpolitischen Aspekt. Wie wir heute wissen, hatte es Gorbatschow schwer, sich gegen seine mächtigen Feinde in Partei- und Militärführung durchzusetzen. Wie brisant die Lage in der UdSSR damals war, zeigt sich eigentlich erst im Sommer 1991, als Gorbatschow während seines Urlaubs entmachtet wurde, und nur die mutige Haltung von Jelzin und vielen Moskauer Bürgern einen Militärputsch verhindern konnte.
 

Princewind

Rassist und Lagerinsasse
. Wie brisant die Lage in der UdSSR damals war, zeigt sich eigentlich erst im Sommer 1991, als Gorbatschow während seines Urlaubs entmachtet wurde, und nur die mutige Haltung von Jelzin und vielen Moskauer Bürgern einen Militärputsch verhindern konnte.

Stimmt natürlich das Gorbi da was auszuhalten hatte und nur durch das eingreifen Jelzins und der Moskauer gerettet wurde. Aber, selbst wenn dem nicht so gewesen wäre, was in der DDR passiert war, das hätte man nicht umkehren können. Das war ja auch im Endeffekt nur die Fortsetzung was in Danzig mit Solidarnosc bekonnen hat und über die Ausreise der DDR Bürger über Ungarn seinen Lauf genommen hat. Und die Aktionen in Leipzig haben dem allen den Vorschub geleistet, selbst wenn Gorbi entmachtet worden wäre, hätte sich da aus meiner Sicht nichts geändert. Gorbi selbst hat die Sache wohl auch eher pragmatisch gesehen, die russische Stärke basierte auf Masse und ihren Sateliten, die wahren aber schon längst weggebrochen,so daß es kaum bis keine Alternativen gab. Was wäre den "neuen " Machthabern denn übrig geblieben? Nen Nuklearschalg gegen den Rest der Welt? So dumm sind selbst Russen nicht.
 

huelin

Quite clear, no doubt, somehow
Naja, es standen immerhin noch zehntausende russische Soldaten im Land. Wenn der Putsch etwa in den Monaten nach der Maueröffnung gekommen wäre, möchte ich nicht wissen, was alles hätte passieren können.
 

Princewind

Rassist und Lagerinsasse
Naja, es standen immerhin noch zehntausende russische Soldaten im Land. Wenn der Putsch etwa in den Monaten nach der Maueröffnung gekommen wäre, möchte ich nicht wissen, was alles hätte passieren können.

Zehntausende Russen , abgeschirmt von ihrer Heimat, nur von Feinden umgeben? In einem Land, daß sie jahrzehntelang ausgenommen haben? Wenn da die Bundeswehr nicht gereicht hätte, die Unterdrückten hätten mit denen kurzen Prozess gemacht.

Und die meisten Russen haben doch ähnlich gedacht wie wir, "Wann ist Dienstzeitende". Das einzige was passiert wäre, die UdssR wäre nicht auseinander gebrochen. Und ob das so falsch wäre?
 

huelin

Quite clear, no doubt, somehow
Ok, vielleicht überschätze ich das etwas; Angst hatte ich damals vor denen ja nicht.

Übrigens geht es auch im gerade begonnenen Nachtstudio (ZDF) um das Thema. Sind ja meist recht vernünftige Gäste bei Volker Panzer.
 

Princewind

Rassist und Lagerinsasse
Ok, vielleicht überschätze ich das etwas; Angst hatte ich damals vor denen ja nicht.

Übrigens geht es auch im gerade begonnenen Nachtstudio (ZDF) um das Thema. Sind ja meist recht vernünftige Gäste bei Volker Panzer.


keine Ahnung, war damals ja auch erst 18 und bin mitm Feind großgeworden und auf die bösen Russen indoktriniert worden.Wobei deren Gehabe bis heute nichts zur Deeskalation zwischen denen und mir beigetragen hat.

ZDF bekomme ich nicht, hab es mir sperren lassen, wobei die Öffentlichen bei meinem Antrag noch Stress machen...... aber das issn anderes Thema ;)
 

NK+F

Fleisch.
Schön geschrieben :top:

Ich für meinen Teil kann leider nicht viele Erinnerungen an diese Tage beisteuern. Zum Zeitpunkt des Mauerfalls war ich gerade mal viereinhalb Jahre alt, an damals habe ich absolut gar keine Erinnerungen was hier losgewesen ist.

Rückblickend finde ich das wahnsinnig schade. Zwar gibt es glücklicherweise mehr als genügend Dokumentationsmaterial, welches Jahr für Jahr in den Printmedien und im TV gezeigt wird, aber selbst dabei zu sein hat eine ganz andere Qualität.



Ist bei mir übrigens das selbe mit dem deutschen Weltmeistertitel 1990. Auch daran habe ich heute null Erinnerungen, dabei war ich damals fünf. Aber das nur am Rande...

An den Mauerfall habe ich selbst auch keine Erinnerung, obwohl ich damals schon 8 Jahre war.
Was danach kam bleibt mir aber umso mehr in Erinnerung.
Ca. 10-15 Famillien bei uns haben Ossis aufgenommen, die ohne viel Kohle in die BRD gekommen sind. 3 derer wohnen noch heute in dem Viertel und sind mit den Töchtern der aufnehmenden Famillien verheiratet. Sind alles gute Kerle. Insgesamt fand ich die Burschen damals aber eher abstossend. Sahen alle etwas asozial aus und haben den ganzen Tag gesoffen.
Dann kam 2 Jahre später noch der so genannte Russenblock. Auf unserer Fussballwiese wurde ein Wohnblock für Spätaussiedler gebaut.
Die hatten deswegen (ohne Schuld) auch gleich verschissen.
Das lies man die dann auch immer spüren.
Ich weiss nicht ob es damit zusammenhängt, aber viele Kinder dieser Spätaussiedler wurden später kriminell und sind eingefahren.
Sie waren nie akzeptiert, ausser wenn sie billiges Gras etc, hatten.

An die WM 1990 kann ich mich dagegen sehr gut erinnern. Damals waren wir in Spanien und es war meine erste WM, die ich richtig mitbekam.
 

NK+F

Fleisch.
Hätte man die Wiedervereinigung den in mehreren Etappen vollziehen sollen?

Auf jeden Fall.
Das kam alles viel zu überstürzt, auch wenn man es nach Polen und CSSR ahnen konnte.
Der krasseste Fehler wurde mMn bei den Umtauschregeln gemacht.
Kohl, in Geberlaune, hat da einfach die DDR-Mark aufgewertet und die BRD damit um einiges ärmer gemacht.
 

Princewind

Rassist und Lagerinsasse
.
Dann kam 2 Jahre später noch der so genannte Russenblock. Auf unserer Fussballwiese wurde ein Wohnblock für Spätaussiedler gebaut.
Russlanddeutsche, ohne Worte..... Die Russen freuen sich bis heute das wir ihnen das Querulantenpack abgenommen haben. In Russland nur Mitläufer hier den dicken Max machen. Und wenn sie dich anmachen können sie weder das Messer schnell zücken, noch können sie vernünftig Deutsch reden, die hätte ich als Russe auch schnellst möglich aussortiert. Aber wir nehmen ja jeden Dreck..... Hauptsache X Generationen vorher mal deutsch gewesen. Da lobe ich mir die Namibier, die sprechen zumindestens fehlerfrei Deusch, trotz jahrelanger Besetzung durch die Engländer.

Ok,das hätte ich nun nicht schreiben dürfen,aber ist mir Latte, wer sich in einem fremden Land aufführt, als wenn es ihm gehört, der muss damit leben.
 

NK+F

Fleisch.
Ich selbst habe auch fast nur nur negative Erfahrungen mit Spätaussiedlern. Deswegen mochte ich den Mauerfall einige Zeit ganz und gar nicht.
Habe ihn immer mit der Invasion, dieser Leute in Verbindung gebracht.
 

huelin

Quite clear, no doubt, somehow
Kohl, in Geberlaune, hat da einfach die DDR-Mark aufgewertet und die BRD damit um einiges ärmer gemacht.
Geberlaune? Das war knallhartes Kalkül von dem Dicken: die Ossis haben erst mal Kohle, um sich Waren zu kaufen - natürlich aus dem Westen, also belebte das zumindest bis zur Wahl Ende 1990 auch im Westen die Wirtschaft. Erst später trat dann die tatsächliche Schwächung, die du meinst, zutage.

Trotzdem halte ich nichts von dem Gejammer der armen Wessis, denen doch soviel weggenommen wurde. Wir müssen die Einheit nun mal akzeptieren. Und nebenbei bemerkt: den Ossis wurde noch viel mehr weggenommen - nicht nur Materielles.

Leider werden wir nie wieder wie die Made im Speck leben können, so wie vor 1989. Das hängt aber mittlerweile vor allem mit der Globalisierung zusammen. Die allerdings in der Form ohne die Maueröffnung auch nicht möglich gewesen wäre.

Wie dem auch sei - so ganz unrecht hatte ich mit meiner Befürchtung gegenüber dem australischen Reporter jedenfalls nicht. ;)
 
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