Polizei "übt" mal wieder für die WM

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Jonny

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Geisterfahrt mit Folgen
Matthias Wolf

BERLIN, 22. August. Der Polizeieinsatz rund um das sonntägliche Stadtderby in der Oberliga zwischen dem 1. FC Union und dem BFC Dynamo (8:0) wird ein juristisches Nachspiel haben. René Lau, Rechtsanwalt aus Berlin, bestätigte, dass zahlreiche Fans des BFC ihn mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragen wollen. "Ich bin tief erschüttert über die Vorgänge, als Anwalt habe ich so etwas noch nicht erlebt", sagte er am Tag nach dem Spiel: "Wenn es stimmt, was mir von Zeugen und Betroffenen gesagt wurde, hat die Verhältnismäßigkeit bei diesem Polizeieinsatz nicht mehr gestimmt." Am Mittwoch werde er sich mit seinen Mandanten über das weitere Vorgehen abstimmen. Derzeit sei "die Lage völlig unüberschaubar", so dass man noch nicht über konkrete Klagepunkte sprechen könne.

In der Tat klaffen die Aussagen der Beteiligten darüber, was sich in der Nacht zum Sonntag in der Diskothek Jeton zugetragen hat, weit auseinander. Die Polizei rechtfertigt den Einsatz mit 158 Festnahmen als präventive Maßnahme: "Das war keine polizeiliche Geisterfahrt, wir hatten unsere Gründe", sagte Polizeisprecher Bernhard Schodrowski. "Es gibt keinen Zweifel: Wir haben dadurch schwere Krawalle am Rande des Spiels im Vorfeld verhindert." Rainer L., der Fanbeauftragte des BFC Dynamo, sagte hingegen: "Was passiert ist, war eine Übung für die WM - und wir waren die Probanden."

Eine Sache von fünf Sekunden

Dynamos Fan-Verantwortlicher, ebenfalls Gast in der Disko, widersprach der Polizeidarstellung, wonach die Beamten beim Eindringen in das Lokal angegriffen worden seien - mit Flaschen, Gläsern und Barhockern. "Das ist völliger Unsinn. Es fielen Schüsse, die Türen wurden aufgesprengt, die Polizei kam in alle Eingänge rein, jeder musste sich sofort auf den Boden legen", sagte Rainer L., "das war eine Sache von fünf Sekunden, keiner konnte sich noch wehren." Für diese Aussage spricht, dass die Mitglieder des Spezialeinsatzkommandos (SEK) in der Tat so ausgebildet werden, dass ihren Gegnern in der Regel keine Zeit für Gegenwehr bleibt.

Schodrowski aber erneuerte die Vorwürfe , dass es Widerstand gegeben habe, und forderte den Fanbeauftragten auf, mit seinen Aussagen vorsichtig zu sein: "Ich empfehle ihm Zurückhaltung." Das gelte auch für einige Vorstandsmitglieder des Vereins, die laut Schodrowski falsche Aussagen verbreiten: "Man neigt bei Dynamo zur Verharmlosung dieser Fan-Gruppierung. Wir haben aber keine Teilnehmer des Weltjugendtages angetroffen, sondern Rädelsführer, die für den Tag darauf einiges geplant hatten. Wir konnten nicht abwarten, sonst wären wir am nächsten Tag an den Pranger gestellt worden, wenn es beim Spiel gekracht hätte."

Der Polizeisprecher wehrte sich gegen Kritik, es habe sich um eine abschreckende Aktion im Hinblick auf die WM gehandelt: "Nein, das war keine Übung." Doch genau das vermutet Anwalt René Lau, der Bruder des Dynamo-Spielers Hendryk Lau. "Dieser Vorfall und die Kriminalisierung von Fans sind eine Katastrophe für unser Land", sagte der Stürmer. Offenbar, so René Lau, habe die Polizei in der WM-Saison medienwirksam Stärke demonstrieren wollen: "Ich frage mich, warum bei dem Einsatz so viel Presse sofort vor Ort war." Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch bestätigte zumindest indirekt den demonstrativen Charakter der Razzia. Er erklärte am Montag: "Die Berliner Polizei hat am Wochenende deutlich gemacht, dass sie alle ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen und einsatztaktischen Möglichkeiten ausschöpft, um organisierte Gewalt bei Sportveranstaltungen möglichst schon im Vorfeld zu unterbinden."

Feuerwehr widerspricht Polizei

Polizeisprecher Schodrowski bestreitet, dass es zu Übergriffen von Beamten und zu Szenen gekommen sei, die beteiligte Fans so beschreiben: Männer waren stundenlang gefesselt und durften nicht auf die Toiletten. "Viele haben eingepullert", so Rainer L. Frauen hätten unter den Augen der Polizei ihre Notdurft verrichten müssen. "Wenn einer nur eine Frage gestellt hat, wurde er sofort geschlagen", sagte der Fanbeauftragte, der einräumte, es seien zwar "auch Hooligans bei der Party gewesen", doch beim überwiegenden Teil habe es sich um friedliche Fans gehandelt. Die Polizei indes ordnet alle festgenommenen Fans der Kategorie B und C zu, die als gewaltbereit gelten. "Wir wussten sogar im Vorfeld, dass die Polizei kommen würde", sagte nun Rainer L., "aber wir haben nicht geahnt, wie brutal die kommen."

Widersprüchliche Angaben gibt es zu den Folgen der Razzia. Rainer L. spricht von hundert Leicht- und dreißig Schwerverletzten, die teilweise noch immer mit Brüchen in Krankenhäusern liegen würden. Die Polizei erklärt, es seien nur fünf Personen leicht verletzt worden. Der Lagedienst der Feuerwehr, zuständig für die Entsendung der Ambulanzfahrzeuge, spricht von 21 Verletzten, von denen 15 in umliegenden Krankenhäusern mit Platzwunden hauptsächlich im Kopfbereich behandelt wurden.

Die BFC-Anhänger wollen nicht nur Klagen einreichen, sondern fordern einen Untersuchungsausschuss beim Senat. Man sei bereits in Gesprächen mit mehreren Politikern, sagte der Fanbeauftragte.
 
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Jonny

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Stellungnahme im Nordostfußballforum:


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hallo leute

nachdem ich mich in den letzten stunden halbwegs gesammelt habe (soweit das möglich ist), hier meine anmerkungen zum thema „polizeieinsatz am 21.08.04“:

vorausgeschickt einige angaben zu meiner person:
ich bin 40 jahre alt und in dieser zeit nie straffällig geworden oder sonstwie auffällig gewesen. meine „akte“ vermerkt ein 4-wöchiges fahrverbot und einen punkt in flensburg. ich arbeite seit jahren als freier journalist/dolmetscher/übersetzer. Ich habe keine glatzte, bin nicht tätowiert und stehe politisch links (falls das hier überhaupt von bedeutung ist). am wochenende bestand meine aufgabe darin, unsere gäste aus schweden und schottland zu betreuen und für sie zu dolmetschen. das vor allem war auch der grund meines aufenthaltes im jeton.

bereits am freitag nachmittag, als wir die schotten vom flughafen tegel abholten, erschienen dort zivile kräfte der egh. die aberdeener wurden befragt, mussten ihre pässe vorlegen, die mit listen abgeglichen wurden. auch meine personalien wurde (erstmalig) erfasst. mir wurde gesagt, dass der einsatz mit dem derby am sonntag zusammenhängen würde und ich wurde darauf hingewiesen, dass wir beobachtet würden und dass jeder verstoß gegen gesetzliche bestimmungen geahndet werden würde. mal abgesehen davon, dass es dieser belehrung in meinem fall nicht bedurft hätte, habe ich unsere gäste über die lage informiert. für alle, sowohl für unsere „hools“, unsere gäste, und für „normale fans“, hieß die parole: keinen stress, unter keinen umständen!!! und wenn am sonntag doch wider erwarten etwas passieren sollte, raushalten, versuchen, so schnell wie möglich von evtl. gefahrenherden wegzukommen!

der samstag verging, das wetter war toll, das turnier ein voller erfolg, unsere gäste hatten, trotz bescheidener sportlicher ergebnisse und einiger „ausfälle“, einen heidenspaß. es gab keinerlei zwischenfälle.

gegen 00.00 erreichte ich mit einem in berlin wohnenden englischen freund das jeton. wir verbrachten noch ca. eine halbe stunde vor besagtem etablissement, um auf die schotten/ schweden zu warten. ca. gegen 00.30 zahlten wir dann unseren eintritt, erhielten dafür die gelben armbänder, die zum zutritt der 3. etage und zum kostenlosen verzehr von getränken berechtigten.

wir machten uns also auf den weg zur bar, begrüßten bekannte, sagten hier und da hallo, und bestellten uns an der bar die ersten drinks. irgendwann kamen unsere ausländischen gäste, ich dolmetschte, beantwortete fragen, stellte leute einander vor etc..

gegen 01.30 dann der einsatz, der aus meiner sicht folgendermaßen ablief (bemerkung, ich hielt mich zu diesem zeitpunkt in der 2. etage im bereich vor de toiletten auf): mit dem ruf: „alles auf den boden, ihr votzen!“ stürmten vermummte einsatzkräfte die 2. etage. keiner wusste was los war, blankes entsetzen. wer die lage nicht erkannte und sich sofort hinschmiss, wurde sofort mit dem knüppel bearbeitet. es wurden keinerlei unterschiede gemacht zwischen männern und frauen, schmächtigen jugendlichen und kräftiger gebauten älteren semestern, kurz- und langhaarigen, tätowierten oder „unbefleckten“ bürgern, es war egal. alles lag auf dem boden - der teilweise übersät war mit scherben - in den lachen der verschütteten getränke. es gab auch nicht den geringsten versuch des widerstandes, nach maximal 30 sekunden lag alles und die ersten bekamen auch schon kabelbinder verpasst.

so lag man dann ca. eine stunde. auf anfragen, was das alles zu bedeuten hätte, bekam man entweder keine auskunft oder antworten wie: „fresse halten, sonst kriegste richtig“, „werdet ihr schon früh genug erfahren“, „stell dich doch nicht dümmer, als du bist“ etc. anfragen zu dienstnummern oder verantwortlichen wurden, unter höhnischem grinsen, mit „110“ oder „polizeipräsident berlin“ beantwortet. leuten, die auf dem bauch lagen, die hände auf dem rücken gefesselt, wurden als „antwort“ auf ihre fragen mit dem gesicht auf den boden geschlagen. nach ca. einer stunde durften dann einige leute, darunter auch ich aufstehen, man konnte sich umsetzen. mein hinweis an die beamten, dass wir ausländische gäste hätten, die keinerlei deutsch sprechen bzw. verstehen würden, das ich deren dolmetscher wäre und sie gerne informieren bzw. für sie übersetzen würde, wurden erst ignoriert, dann abgelehnt. ebenfalls ignoriert wurde mein hinweis, dass ich journalist sei und und mich auch als solcher ausweisen könne. nachdem ich irgendwann die ansage „halt jetzt endlich das maul, sonst legen wir dich zusammen!“, gab ich auf. hin und wieder wurden leute von beamten zur toilette geführt, darunter auch eine, mir persönlich als union-fan (!) bekannte person, dessen eine gesichtshälfte eine einzige blutige masse war. überhaupt sah ich mehrere personen, die deutlich gezeichnet waren.

nach ca. 3 stunden (alle zeiten sind geschätzt) durften dann die frauen gehen. etwa zur gleichen zeit erschien die presse und begann, fotos zu machen (soviel mal zur in der „bz“ aufgestellten behauptung von „ 5 ½ stunden schlacht mit der polizei“, schon zeitlich völlig absurd). gegen 6 uhr wurden alle leute, die noch gelbe armbänder hatten, einzeln nach unten geführt. mir wurden im eingangsbereich des jeton alle persönlichen gegenstände (brieftasche, papiere, handy, wohnungs- und kfz-schlüssel etc.) abgenommen, ich wurde fotografiert, irgendwann in eine gefangenentransporter gesteckt. dann ging es zur keibelstraße, dort musste man in einen anderen transporter umsteigen, der dann nach tempelhof fuhr. insgesamt dauerte die prozedur ca. 2 stunden. nochmalige anfragen zum grund der verhaftung wurden lapidar mit „gefahrenabwehr“ und „befehl des polizeipräsidenten“ beantwortet, nachfragen zur art der „gefahr“ und was ich damit zu tun hätte, wurden ignoriert.

ca. gegen 08.00 (d.h. nach 2 stunden im gefangenentransporter, immer noch gefesselt!) waren wir dann in tempelhof. die leute wurden einzeln aus den knastwagen geholt, es gab die üblichen fragen zur person, man wurde (zum wiederholten mal) durchsucht, musste schnürsenkel und gürtel abgeben, kam dann, nach einem aufenthalt in einer einzelzelle, in eine große zelle, bei uns belegt mit ca. 15 leuten. in unserer zelle saß u.a. ein junger mann, offensichtlich nicht aus berlin, der im jeton mit freunden einen polterabend gefeiert hatte. da auch diese leute gelbe armbänder hatten, wurden sie wie wir bfcer kurzerhand einkassiert. die betreffenden person wusste nichts von einem ostberliner derby und hatte noch nie etwas von „bfc“ oder „union“ gehört!!!

die einsatzkräfte in tempelhof verhielten sich korrekt. wir durften rauchen, austreten gehen, es gab getränke und irgendwann auch essen. allerdings erhitzte sich die zelle im laufe des tages auf geschätzte 40 grad, die luft war wie in einer sauna, heiß, feucht, stickig. nach einigen stunden verlangte ich dann einen verantwortlichen zu sprechen, der mir auskunft über den grund meiner verhaftung geben könnte. erst hieß es: „das erfahren sie von unserem vorgesetzten“, später dann. „das erklärt ihnen der haftrichter“. weder den einen noch den anderen bekam ich je zu gesicht. nachfragen, wie lange wir in gewahrsam bleiben würden, wurden mit „wissen wir nicht“ beantwortet, bzw. es gab ansagen, die von „2 stunden nach derbyende“ bis „ca. 21.00“ reichten. der tenor der beamten vor ort war unisono: „so was wie euch haben wir hier noch nie gesehen, kommt ihr aus dem krieg?!“ mehrere beamte meinten mir gegenüber: „lasst euch das auf keinen fall gefallen, erstattet anzeige!“ ca. gegen 20.00 wurde wir dann entlassen, ohne je einem richter oder beamten vorgeführt worden zu sein. man bekam keine namen, kein schriftstück, dass den knapp 19-stündigen aufenthalt im polizeigewahrsam bestätigt oder begründet hätte. man bekam auch seine persönlichen gegenstände ausgehändigt, in meinem fall war allerdings der kfz-schlüssel verschwunden (das war zudem der zweitschlüssel, was bedeutet, dass der heutige tag für mich arbeitstechnisch fast ad acta gelegt werden kann, außerdem werde ich neue schlüssel anfertigen lassen müssen, und es besteht die gefahr, dass mein kfz umgesetzt wird/ wurde).

mein fazit: was ich gestern erlebt habe, hätte ich nie auch nur im entferntesten für möglich gehalten. dabei sind die schilderungen anderer betroffener noch deutlich dramatischer. so war zu hören, dass sich leute in die glasscherben legen mussten, und man ihnen die ärztliche behandlung verweigerte. einem bekannten mit tourette-syndrom (!) soll der gang zur toilette verwehrt worden sein, so dass er sich in die hosen machte. weiter wurde berichtet, dass eine schwangere frau (!!!) die treppe runtergeprügelt wurde, sie soll sich dabei den arm gebrochen haben, es gibt zig weitere augenzeugenberichte von leuten, die, obwohl schon gefesselt am boden liegend, massivst misshandelt wurden.

der einsatz war unglaublich brutal. das, was die beamten da ablieferten, stelle ich mir unter „faschistischer soldateska“ vor. mich erinnerte das an szenen, wie ich sie aus fernsehberichten über den putsch in chile in erinnerung habe, oder aus den schilderungen in walter jankas autobiographie (seine erlebnisse mit der stasi in den frühen 50ern) bzw. berichten aus der nazizeit kenne. mein englischer freund war früher als soldat in nordirland (!) stationiert - sein kommentar: „so etwas habe ich noch nie gesehen, nicht mal annähernd!“

innerhalb eines tages habe ich jegliches vertrauen in unseren „rechtstaat“ und seine organe verloren. und wenn ich heute die presse lese (bz, tagesspiegel, berliner zeitung) wird mir kotzübel und ich schäme mich bis aufs blut für diese „kollegen“. da wird gelogen, dass sich die balken biegen, werden leute, die völlig unschuldig opfer von extremster polizeiwillkür wurden, aufs übelste diffamiert und (bz) verhöhnt.

mein aufruf an alle betroffenen: lasst euch das nicht gefallen! wehrt euch, nehmt euch anwälte, klagt!!! diese nummer dürfen wir knape und seinen „beamten“ auf keinen fall durchgehen lassen.

ich selbst werde alle rechtsmittel nutzen, die ich habe, um die betreffenden personen zur verantwortung zu ziehen. hier geht es nicht um gewaltbereite fußballfans, sondern um grundlegende bürger- und menschenrechte, die vom staat mit füßen getreten wurden, und das kann und darf einfach nicht sein!

mit dynamischen grüßen
steve winkler
 
R

Rattlor

Guest
wenn das so stimmt wie es da geschildert wird, dann is das ne krasse sache...leider schenk ich dem sogar ziemlichen glauben, da ich ne ähnliche sitution (wenn auch nich mal annähernd so extrem) selbst miterleben musste...
 
A

André

Guest
:nene:

Naja sowas kennt man ja mittlerweile schon! :schlecht:



Achja by the way, es gibt ne Firma die stellen T-Shirts her mit dem Aufdruck: A.C.A.B. , weiß zufälllig jemand was das bedeutet? :zwinker:
 
K

K-Town-Supporter

Guest
...und die Saison ist noch jung. Wie soll das bis zur WM weitergehn???

In diesem Sinne, ALL COPS ARE BASTARDS A.C.A.B
 
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