Pennys Wochenrückblick Folge 55:Von Blödgrätschen,Bedenkenträgern und Titelanwärtern!

SoccerDoc

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Nun ist es also passiert.
Die WM im eigenen Land, Football`s coming home…dieser Singsang wird übrigens in jedem Land angestimmt, in dem ein Großturnier um das runde Leder stattfindet, weil dann ein jeder denkt, endlich kehrt der Fußball dahin zurück, wo er hingehört und herkam.
Es hätte allerdings auch anders kommen können:
Bis kurz vor Toresöffnung war schließlich nicht klar, ob die Wade der Nation in Form von Michael Ballack würde auflaufen können. Erste Überlegungen wurden laut, es wäre besser das ganze Turnier nun abzusagen, eine deutsche Nationalmannschaft ohne den Kapitän auflaufen zu lassen, so was kommt doch nicht in Frage.
Dann kam aber doch alles ganz anders und das Eröffnungsspiel konnte bedenkenlos angepfiffen werden und man siegte 4:2. Jetzt kommt was wichtiges, was man über Deutschland und seine Medienlandschaft lernen kann:

1.
Unabhängig vom Sieg-Ergebnis des Matches gegen Costa Rica hätte es nach dem Spiel gedrucktes Gemecker gegeben. Ein 1:0 zum Beispiel wäre „knapp, unverdient und unter den Möglichkeiten gewesen“ ein souveränes 14:0 dagegen hätte allerlei Warnungen zur Folge gehabt, „nun bloß nicht abzuheben oder gar überheblich zu werden.“ So war eine gute Mischung aus beidem, nämlich das 4:2 auch keinem Recht, „ein toller Sturm, doch eine gruselige Abwehr“ hätte man, unabhängig von der eigentlich kaum zu unterschlagenen Tatsache, dass der Linienrichter beim zweiten Tor gleich zwei im Abseits stehende Costaricaner übersah, die von den deutschen praktizierte Abseitsfalle also eigentlich perfekt funktionierte. Doch den meisten Fans war es glücklicherweise egal, die schreibende Zunft hatte nur wenig Einfluss und man freute sich einfach nen Wolf. Auch gut.

2.
Die Macht der Bilder, vor allem der bewegten, ist nicht zu unterschätzen. Da Michael Ballack ja „ran wollte“, Jürgen Klinsmann ihn aus sicherlich guten Gründen nicht „ranlieߓ, wurde schon der ultimative Machtkampf heraufbeschworen, frei nach dem Motto „Verdorri, wir haben sonst nix negatives zu berichten, lasst uns doch einen ordentlichen Fight anzetteln.“
Aber nix da, der Jürgen und der Micha, die sprangen nach Toren von der Bank auf und…Achtung…nahmen sich in den Arm, welches von den Reportern mit der kuriosen Frage quittiert wurde: „Sehen so zwei Männer aus, die einen Machtkampf ausfechten?“
Natürlich nicht, Männer die einen Machtkampf ausfechten, werfen sich Duellierhandschuhe ins Gesicht und treffen sich des Morgens im Nebel, um sich gegenseitig über den Haufen zu ballern. Das ging aber beim Eröffnungsspiel nicht, kein Nebel, die Knarren werden einen schon am Eingang abgenommen und Fussballer mit Handschuhen, das hat ein bisschen was metrosexuelles und das darf nur der Beckham.
Also Umarmung und da kann ich nur sagen, lieber Jürgen, lieber Michael, ums den blöden Medien mal so richtig zu zeigen, wird bei der nächsten Machtkampfsituation a la Bundestrainer vs. Kapitän ein halbminütiger Zungenkuss ausgetauscht, das bringt die Presse zum schweigen, man kann sich Patronen sparen und für metrosexuell hält einen auch keiner mehr.

3.
Bitterböses in die Zukunft schauen monatelang vor der Weltmeisterschaft ist keine Sache, die sich lohnt. Denn jetzt kommen wir uns verarscht vor, wochenlang wurde über Oliver Kahn geschrieben, eigentlich sei er doch die wahre Nummer eins, mit Lehmann brauchen wir gar nicht erst anzutreten und so weiter und sofort. Interessiert seit dieser Woche niemanden mehr. Und David Odonkor? Nackenunverträgliches Kopfschütteln hatte seine Nominierung hervorgerufen, zu blöd, dass er in seiner Funktion als Flügelspieler in der 92. Minute die entscheidende Flanke zum 1:0 gegen Polen gab. War wohl bestimmt nur Zufall.

Jetzt ist die WM also eine Woche alt, Deutschland schon im Achtelfinale, da haben wir ein bisschen Zeit, uns mit der Flaggendiskussion auseinanderzusetzen.
Wer nicht mit geschlossenen Augen durchs Leben rennt, der kommt kaum drum rum, flatternde Seide an vorbeifahrenden Autos zu erblicken. An jedem dritten Gefährt hängt ein Deutschland-Fähnchen, manchmal schaut auch ein größeres aus dem Schiebedach heraus. Es ist fast ein bisschen, wie in der Weihnachtszeit, wo ein jeder sein Fenster mit Leuchtgetöse zum blinken bringt.
Nun kann man sich auf verschiedene Standpunkte einlassen. Der erste wäre der, dass man es einfach akzeptiert, dass die Deutschen Fahnen ihres Landes hin und herschwenken, weil sie sich einfach freuen, dass ihre Mannschaft gewinnt und somit das Wedeln von Flaggen anderer Nationalfahnen nicht allzu viel Sinn ergibt.

Man kann sich allerdings auch furchtbar wichtig machen und den leise aufkeimenden Patriotismus im Keim ersticken, in dem man sagt, dass es so nun nicht geht. Heiner Geißler ist so ein sich wichtig machender Mensch. Man solle es nun auch mit der Fahnenschwenkerei und dem Nationalstolz nicht übertreiben, so seine von hoffentlich nicht vielen geschätzte Meinung.
Denn wie soll das Aussehen, das reglementierte Flaggenschwenkverhalten?
Drei mal hin und her und dann erst mal wieder einrollen? Begrenzte Fahnenanzahl am Auto bzw. deren Erhöhung nur nach TÜV-Überprüfung (dafür könnte man prima einen Bürokratiebunker aus dem Boden stampfen, in dem achttausend Beamte darüber wachen, dass alles seine Richtigkeit hat, was die mobile Fahnenweherei angeht)? Deutschlandrufe nur bis zu einer bestimmten Dezibelzahl? Oder gar Rufe bei eigener Führung für die gegnerische Mannschaft, um Demut zu demonstrieren?
Nene, die Leute sollen mal schön weiter alle ihre Fahnen wehen lassen. Lieber ne Flagge am Stock, als nur der Stock, das sehen bestimmt auch Polizisten so.
Soll schließlich keiner so tun, als ob unter jeder Flagge ein Rassist darauf wartet, wem das Stoffstück in den Hintern zu stopfen. Das hat man nun auch im Ausland bestimmt begriffen.

Nun darf man sich von dem WM-Rausch nicht aus der Realität rausrauschen lassen, das geht natürlich auch nicht. In vier Wochen ist all der Trubel nämlich wieder vorbei und dann wird wieder über Mehrwertsteuererhöhungen debattiert. Da könnte es gut sein, dass der Wimpel schon im Keller verstaubt bis zur nächsten WM im eigenen Land.
Zwei Dinge sind noch zu klären: Punkt eins, wer wird Weltmeister? Weiß leider keiner so genau, aber man weiß SEHR wohl, dass es Favoriten, Geheimfavoriten und Punktelieferanten gibt. Favoriten sind Brasilien, Deutschland, Italien und Argentinien. England wäre auch Favorit, da das Elfmeterschießen aber immer noch nicht abgeschafft wurde, rutscht man leider in die „Punktelieferanten-Kategorie“, zumindest nach der Vorrunde.
Geheimfavoriten sind am lustigsten, weil niemand weiß, wer sie eigentlich dazu macht und was an ihnen so furchtbar geheim ist, wenn Reporter sie den Millionen Zuschauern entgegenquäken. Spricht sich doch dann rum. Die Ukraine ist zum Beispiel Geheimfavorit, was sie bei ihrer 0:4 Niederlage gegen Spanien nur allzu deutlich unter Beweis stellte. Eine Mannschaft, die so eindeutig verliert und zu den Geheimfavoriten auf den Titel zählt, die muss einen MacGyver-mäßigen WM-Pokal-Plan im Turnbeutel haben. Schweden ist auch Geheimfavorit. Haben gegen Trinidad und Tobago auch keinen rein bekommen, Respekt. Brasilien ist jetzt im Nachhinein irgendwas zwischen Favorit und Punktelieferant, das hängt jetzt ganz davon ab, ob Ronaldo seinen Weight Watchers Plan durchgezogen bekommt.
Als letztes ein schreiendes Hurra auf die Gentechnik. Die hat es immerhin geschafft, Franz Beckenbauer zu klonen und jedem WM-Stadion einen davon zur Verfügung zu stellen, mit Maßanzug und Krawatte. Denn das Märchen, dass der Franzel den ganzen Tag mit dem Hubschrauber von WM-Stadt zu WM-Stadt segelt, wäre keines mit Happy End, denn die normale menschliche Reaktion auf derart viele zurückgelegte Heli-Kilometer ist eigentlich ein voll gekotztes Jackett.

In diesem Sinne, Ole!

P.S.: Die WM sorgt für neue Arbeitsplätze. Denn irgendjemand muss die einzuhaltenden 2,8 cm Rasenlänge vor dem Spiel überprüfen und nach dem Spiel dafür sorgen, dass alle Halme wieder in die ursprüngliche Länge gebracht werden. Eigentlich nur eine Aufgabe für den Sensenmann, aber da hat die Fifa bestimmt auch keine Probleme, den in ihre Dienste zu nehmen.
 
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