Dilbert
Pils-Legende
6. Champions-League Spieltag 2006 - 2007
Mahlzeit!
Meine letzte "Hurra, Saufen!"-Fahrt in diesem Jahr sollte etwas ganz besonderes werden. Deshalb hatte ich im Vorfeld schon ein paar Holsten-Büchsen besorgt. Aber: Vor dem Fussball stand nach gammeligen zweieinhalb Stunden Schlaf erstmal die Arbeit, und dann dusseligerweise auch ´ne Teamsitzung, die mir den Plan "Mittagsschläfchen" mal wieder gründlich vergeigte. Wäre ich danach noch pennen gegangen hätte ich mit ziemlicher Sicherheit meinen Zug verschnarcht.
So konnte man meinen Zustand dann auch nicht unbedingt "frisch und munter" nennen, als ich um kurz nach halb fünf zum Bahnhof trabte. Zumindest wollte der Fahrkartenautomat diesmal im ersten Anlauf mein Geld haben. Danach dackelte ich auf den Bahnsteig, und sah mich nach irgendwelchen Fans um, so wenig Russen haben wir ja auch nicht in der Stadt. Mit Hamburgern rechnete ich angesichts der Leistungen der letzten Wochen und der kaum vorhandenen Bedeutung des Spiels ehrlich weniger. Anwesend war dann aber gar keiner. Versprach ja ´ne spannende Hinfahrt zu werden...
Im Zug orientierte ich mich nach rechts... und landete in der Hölle. Klassenfahrt! Einer der ca. Zwölfjährigen brüllte mir gleich ein "HSV" entgegen, der nächste (anscheinend Dortmunder, wenn man dem anschliessenden Gepöbel mit seinem Kumpel folgte) versuchte mich dumm anzumachen, und mit unserem Tabellenstand aufzuziehen. Ach, halt die Schnauze und geh nach Bielefeld, Trainer klauen.
Dann doch lieber in die andere Richtung. Die einzige freie Sitzreihe befand sich dann gegenüber eines Typen, der wahrscheinlich das grösste Gegenteil von mir auf diesen Planeten darstellt.
Dilbert: Matte, Trikot, Schal um ´n Hals, Bierdose, gute Laune.
Typ: Um die sechzig, weisses Hemd, Bügelfaltenanzug, Blümchenkrawatte, kurze, streng nach hinten gekämmte graue Haare, eckige Stahlbrille, Mundwinkel in Richtung Erdkern, Buch vor der Nase. Titel des Schmökers: "Der Weg zu innerem und äusserem Reichtum" (wobei ich mir die Frage stellte, ob der das nicht zwanzig Jahre früher hätte lesen sollen, als jetzt kurz vor der Rente...)
Das versprach ja ´ne "spannende" Hinfahrt zu werden. Der hat mich die ganze Zeit nicht einmal angeguckt, eher demonstrativ immer in eine andere Richtung geglotzt als ich. Dabei hab ich gar nichts gemacht. Ich hab nur da mit meinem Bier gesessen und die Klappe gehalten (erst wollte ich den Fragen, ob er mir das Buch nicht für unsere Spieler ausleihen könnte, so´n paar Tipps für den Weg zum Erfolg... aber der schien mir nicht auf ein humoriges Gespräch aus zu sein). Trotzdem, als in Neumünster die Reihe hinter ihm frei wurde, war ihm meine Gesellschaft wohl dermassen zuwider, dass er sich dahin verzog. Fussball-Fans sind grundsätzlich böse...
Was gab´s da gross zu tun ausser Bier zu trinken? Gar nix. Deshalb durfte sich der Typ mit dem Mitropa-Wagen dann auch über diverse Einnahmen von mir freuen. "Was haben Sie da für Bier drin?" - "Carlsberg." - "Eine Dose bitte!"
Zwanzig Minuten später: "Hammse nochma..."
Nochmal etwa zwanzig Minuten später: Nur noch dem Finger heben, die Büchse kommt automatisch. Prost!
Nun denn, weil dazwischen ja auch noch je ein Holsten lag, stieg ich in Hamburg nicht mehr so ganz nüchtern inne S-Bahn nach Eidelstedt. In der Bahn tobten dann auch die ersten gutgelaunten Russen rum. Schien doch noch ein lustiger Abend zu werden.
Knappi, ich hock seit etwa ´ner halben Stunde auf dem Trocknen: Tu was! So wurde dann der Kühlschrank um zwei Holsten erleichtert. Da vom Stammtisch leider keiner da war, gesellte ich mich eben zu den am Nebentisch feiernden Russen. Da gab´s dann erstmal ganz viel "Nastrovje" (bestimmt falsch geschrieben) und der sinnlose Versuch eines Haufens Saufnasen, sich auf Englisch zu unterhalten. Der Typ hat mir da noch irgendwas von Stalingrad erzählt, ich hab keinen Plan, was das sollte. Könnte auch daran liegen, dass ich kaum ein Wort verstanden hab. Er selbst war bestimmt nicht da, und der Führer ist (zum Glück) ja nun auch schon ein paar Jahrzehnte in der Klapsmühle des Jenseits. Eigntlich wollte ich ´nen Typen noch ´n paar Fotos von uns machen lassen, aber die Super-Gratis-Digitalkamera, die es zum neuen Handy meiner Eltern als Zugabe gab, legte mal eben fachgerecht den Löffel weg. Scheissteil. Zumindest haben die Russen mir ´n Bild per E-Mail geschickt. Danke Jungs!
Das Bier bei Knappi war auch bitter nötig, da ich mir fest vorgenommen hatte diesmal keine Holsten-alkfrei-Sosse im Stadion zu kaufen. Ehrlich gesagt: Ich hab mich fast gewundert, dass die mich da noch reingelassen haben. Ich hab nicht getorkelt oder sowas, hatte aber das Gefühl, dass meine Augen doch ´nen ziemlich glasigen Eindruck machen würden, was auch etwas an der inzwischen vorhandenen Übermüdung in Verbindung mit dem Bier lag. Die fitteste Optik hatte ich jedenfalls bestimmt nicht mehr. Ich hatte zumindest schon die Bitte für die Ordner auf den Lippen, meine nicht entwertete Karte an den nächsten verschenken zu dürfen, falls die mich für zu weggetreten halten sollten. Es gab dann aber keinerlei Probleme, und ich konnte nach ´ner Pullerpause die Stufen hoch in die letzte Reihe von Block 24 erklimmen. Uff...
Irgendein Schiedsrichter war auch da, aber den Namen hab ich schon wieder vergessen. Ausser der Roten für Atouba hatte der auch keine grossartigen Aktionen auf Lager, und die war berechtigt.
Die Aufstellung... Berisha, endlich! Die Fans waren trotz der hoffnungslosen Lage doch noch ziemlich zahlreich erschienen und wollten der Mannschaft wohl einen stimmungsvollen Abgang von der internationalen Bühne gönnen. Wer konnte da ahnen, wie heftig das noch in die Hose gehen sollte.
Das Spiel ging ganz gut los. Ohne den Druck des "Wir müssen!" spielte die Mannschaft gleich ´ne ganze Ecke besser. Ausserdem schien van der Vaart sich auf seine Weise für seinen Blackout von Bochum entschuldigen zu wollen, und rannte sich die Lunge aus dem Hals. So wurden die Gäste ganz schön hinten festgenagelt, nur das verdammte Tor hatte keine Lust den Ball reinzulassen.
Die tragische Figur dieses Spiels hiess eindeutig Atouba. Doll, wenn der nicht fit ist, dann lass den bitte nicht spielen! Oder Timmy muss selbst von sich aus sagen: "Trainer, geht nicht." So wird das nix, gar nix. Schon beim ersten Angriff der Russen verursachte Atouba einen Elfmeter, und unser ganzes gutes Spiel bis dahin war für´n A... 0:1 durch Olic.
Zumindest steckten unsere Jungs danach nicht auf. Im Gegenteil es kamen weiter wütende Angriffe auf das Tor von (ich muss ma nachgucken wie man den schreibt..) Akinfeew. Der wehrte sich auch nach Kräften gegen den Sturmlauf, musste aber zu unserer Begeisterung den Ball nach etwa ´ner halben Stunde trotzdem auf der Kiste holen. Atouba hatte seinen Patzer wieder ausgebügelt, und einen Ball per Kopf zum freistehenden Berisha (bitte, geht doch!) befördert, der dann nur noch einschieben musste. Und das dann auch tat, 1:1.
Irgendwie war es ein komisches Spiel, denn nicht nur bei uns sah ein ausgewechselter Spieler ´ne Karte. Irgendein schon rausgenommener Russe macht auf der Bank für den Geschmack des Schieris etwas zu viel Terz, und bekam die gelbe Pappe vor die Augen gehalten. Das mögliche und eigentlich verdiente 2:1 durch van der Vaart vermasselte uns dann kurz vor der Pause mal wieder der beste Mann der Russen, Akinfeew.
Pause, treppab, pullern, treppauf, weiter geht´s.
Ehrlich gesagt sind mir viele Dinge der zweiten Halbzeit nur noch bruchstückhaft in Erinnerung, deshalb muss ich mir hier etwas mit nachgeholten Infos behelfen. Meine Augen wollten (obwohl ich ja schon länger kein Bier mehr nachgefüllt hatte) einfach nicht mehr so, ich konnte das Ergebnis auffer Anzeigetafel am anderen Ende des Stadions kaum noch lesen.
Erstmal war so ´n bisschen die Luft bei uns raus, wir bekamen den Ball zunächst einfach nicht mehr gefährlich vor´s Tor der Russen. Als die Mannschaft dann wieder besser wurde, und die Russen zweimal Glück hatten dass wir die Pille nicht schon inner Kiste untergebracht hatten, kam wie in der ersten Halbzeit ein Haufen Mist zusammen. Irgendwie verliess sich ein Hamburger Abwehrspieler auf den nächsten, und deshalb machte dann keiner wirklich was. Atouba leider auch nicht, was ziemlich üble Folgen haben sollte. Einmal das total unverdiente 1:2 durch Zhirkov (auch noch per Beinschuss bei Wächter), und dann hatte ein Teil des Publikums komplett den Verstand verloren.
Atouba war auf der "Sünder"-Liste gelandet, und wurde von da an konsequent fertiggemacht. Bei jedem Ballkontakt gab es ein übelstes Pfeifkonzert gegen den eigenen Spieler, bis der selber nicht mehr konnte / wollte und um seine Auswechslung bat. Doll tat ihm den Gefallen...
Die Ereignisse sind weithin bekannt. Atouba geht raus, wird beschimpft und ausgepfiffen, und zeigt daraufhin diverse unschöne Finger in die Runde, worauf auch noch Bierbecher auf ihn fliegen und er ´ne nachträgliche Rote vom Schieri kassiert.
Wisst ihr was: Wenn da wirklich Sprüche wie "Scheiss Nigger" oder "Geh zurück in den Busch" gefallen sind, hat er sich meiner Meinung nach noch viel zu nett ausgedrückt! Ich hab bisher nur ein Video auf Youtube von der Szene gesehen, und muss sagen: Für solche durchgedrehten Spacken wie einen Teil der Ehrentribüne an dem Abend, kann man sich als Fan wirklich nur schämen! Die haben nicht nur nicht mehr alle Tassen im Schrank, da fehlt gleich der ganze Schrank! Klar hat Atouba in dieser Saison oft ziemlichen Mist gespielt, aber die haben sich aufgeführt wie BSE-Bullen mit Tollwut und ´nem Bolzenschussgerät am Hoden. Da hätte Doll seinen Spieler lieber schützen und halt nicht aufstellen sollen, der stand ja nicht erst seit dem Spiel stark in der Kritik.
Jedenfalls hat dieser Abend einen ganz bitteren Beigeschmack, und wenn man dazu noch die Jahreshauptversammlung vom Montag nimmt, dann muss man leider sagen, dass es bei uns nicht nur im sportlichen Bereich heftige Probleme gibt. Weil das hier ein Tourbericht werden soll nehm ich dafür nur ein Wort und mach dann mit dem Kick weiter: "Schande!"
Nun denn, mit aufgeheizten Gemütern ging´s weiter in die letzten 20 Minuten dieses Spiels. Erstmal wurde nur kräftig gewechselt. Für den bemühten Ljuboja kam Guerrero, und dann acht Minuten vor Schluss für Jarolim Sanogo.
Damit hatte Doll dann bei seinen Wechseln wirklich alles richtig gemacht, ist ihm auch schon lange nicht mehr passiert. Okay, etwas Glück war dann auch dabei, als ein Russe den Ball van der Vaart genau vor die Füsse köpfte, und dieser dann das trotz kurzzeitiger Durststrecke hochverdiente 2:2 erzielte. Um mich wachzuhalten hatte ich mit inzwischen an der Blechwand hinter meinem Sitz fast Blasen an die Hände gekloppt. Das Ding verführt einfach so zum Krach machen...
Unglaublich: Nachdem Berisha noch zwei Minuten vor Schluss Pech hatte und am Torwart scheiterte, landete eine schöne Flanke von van der Vaart bei Sanogo, der die Pille dann mit einer ordentlichen Ladung Wut im Bauch in die Maschen drosch. 3:2, die, die noch im Stadion waren (einige waren ja so schlau sich mal wieder schon ´ne halbe Ewigkeit vor´m Abpfiff zu verpieseln), flippten mal eben kollektiv aus. Ein Heimsieg? Ein richtiger?! So mit drei Punkten? Und mehr Toren als der Gegner?
Ja, und fast sogar mit zwei Toren mehr als der Gegner. Leider knüppelte Sanaogo seine Chance in der Nachspielzeit nur an die Latte. Verdammt, was muss in dem alles hochgekommen sein, nachdem er ja auch von etlichen Leuten als Sündenbock der letzten Wochen in die Ecke gestellt wurde.
Nach dem Abpfiff durften wir dann endlich mal wieder mit der Mannschaft feiern, das heisst, mit denen die nicht wegen der Sache mit Atouba aus Protest gleich in der Kabine verschwanden. Ich verschwand danach auch, und zwar zu Knappi. Rumbrüllen und anne Wand hauen macht durstig. Leider war weder jemand vom Stammtisch, noch die Russen von der Party vor´m Spiel da, deshalb beschloss ich den Kult-Imbiss diesmal frühzeitig zu verlassen. Dann muss man jedenfalls nicht so zur S-Bahn hetzen. Ausserdem war mir irgendwie duselich genug.
Ich hab´s noch irgendwie geschafft die richtige S-Bahn zu nehmen, das war ja schonmal ´ne Leistung, In Pinneberg auch in den richtigen Zug zu steigen auch. Dann aber gaben totale Übermüdung und Bier sich die ausknockende Ehre, und liessen mich für genau zehn Minuten einschlummern. Als ich wieder wach wurde fragte ich jemanden, ob wir schon an Neumünster vorbeiwären, und der sagte zu meinem Entsetzen: "Ja."
Scheisse! Das hiess erstmal weiter nach Kiel... Nächster Zug in Richtung Rendsburg: 3.40 Uhr. Au weia! Also versuchte ich mich in der Wartebude auf den Holzbänken ´ne Runde auf´s Ohr zu hauen, was aber wegen der vorhandenen Ungemütlichkeit nicht wirklich zu ´nem erholsamen Nickerchen führte. So machte ich mich dann völlig gerädert mit der Nord-Ostsee-Bahn um kurz nach halb Vier auf den Weg in die Heimat. Um ca. halb Fünf war ich endlich zu Hause.
Nu fragt mich bitte nicht, wie die Spätschicht am nächsten Tag war...
Gruss
Dilbert
Mahlzeit!
Meine letzte "Hurra, Saufen!"-Fahrt in diesem Jahr sollte etwas ganz besonderes werden. Deshalb hatte ich im Vorfeld schon ein paar Holsten-Büchsen besorgt. Aber: Vor dem Fussball stand nach gammeligen zweieinhalb Stunden Schlaf erstmal die Arbeit, und dann dusseligerweise auch ´ne Teamsitzung, die mir den Plan "Mittagsschläfchen" mal wieder gründlich vergeigte. Wäre ich danach noch pennen gegangen hätte ich mit ziemlicher Sicherheit meinen Zug verschnarcht.
So konnte man meinen Zustand dann auch nicht unbedingt "frisch und munter" nennen, als ich um kurz nach halb fünf zum Bahnhof trabte. Zumindest wollte der Fahrkartenautomat diesmal im ersten Anlauf mein Geld haben. Danach dackelte ich auf den Bahnsteig, und sah mich nach irgendwelchen Fans um, so wenig Russen haben wir ja auch nicht in der Stadt. Mit Hamburgern rechnete ich angesichts der Leistungen der letzten Wochen und der kaum vorhandenen Bedeutung des Spiels ehrlich weniger. Anwesend war dann aber gar keiner. Versprach ja ´ne spannende Hinfahrt zu werden...
Im Zug orientierte ich mich nach rechts... und landete in der Hölle. Klassenfahrt! Einer der ca. Zwölfjährigen brüllte mir gleich ein "HSV" entgegen, der nächste (anscheinend Dortmunder, wenn man dem anschliessenden Gepöbel mit seinem Kumpel folgte) versuchte mich dumm anzumachen, und mit unserem Tabellenstand aufzuziehen. Ach, halt die Schnauze und geh nach Bielefeld, Trainer klauen.
Dann doch lieber in die andere Richtung. Die einzige freie Sitzreihe befand sich dann gegenüber eines Typen, der wahrscheinlich das grösste Gegenteil von mir auf diesen Planeten darstellt.
Dilbert: Matte, Trikot, Schal um ´n Hals, Bierdose, gute Laune.
Typ: Um die sechzig, weisses Hemd, Bügelfaltenanzug, Blümchenkrawatte, kurze, streng nach hinten gekämmte graue Haare, eckige Stahlbrille, Mundwinkel in Richtung Erdkern, Buch vor der Nase. Titel des Schmökers: "Der Weg zu innerem und äusserem Reichtum" (wobei ich mir die Frage stellte, ob der das nicht zwanzig Jahre früher hätte lesen sollen, als jetzt kurz vor der Rente...)
Das versprach ja ´ne "spannende" Hinfahrt zu werden. Der hat mich die ganze Zeit nicht einmal angeguckt, eher demonstrativ immer in eine andere Richtung geglotzt als ich. Dabei hab ich gar nichts gemacht. Ich hab nur da mit meinem Bier gesessen und die Klappe gehalten (erst wollte ich den Fragen, ob er mir das Buch nicht für unsere Spieler ausleihen könnte, so´n paar Tipps für den Weg zum Erfolg... aber der schien mir nicht auf ein humoriges Gespräch aus zu sein). Trotzdem, als in Neumünster die Reihe hinter ihm frei wurde, war ihm meine Gesellschaft wohl dermassen zuwider, dass er sich dahin verzog. Fussball-Fans sind grundsätzlich böse...
Was gab´s da gross zu tun ausser Bier zu trinken? Gar nix. Deshalb durfte sich der Typ mit dem Mitropa-Wagen dann auch über diverse Einnahmen von mir freuen. "Was haben Sie da für Bier drin?" - "Carlsberg." - "Eine Dose bitte!"
Zwanzig Minuten später: "Hammse nochma..."
Nochmal etwa zwanzig Minuten später: Nur noch dem Finger heben, die Büchse kommt automatisch. Prost!
Nun denn, weil dazwischen ja auch noch je ein Holsten lag, stieg ich in Hamburg nicht mehr so ganz nüchtern inne S-Bahn nach Eidelstedt. In der Bahn tobten dann auch die ersten gutgelaunten Russen rum. Schien doch noch ein lustiger Abend zu werden.
Knappi, ich hock seit etwa ´ner halben Stunde auf dem Trocknen: Tu was! So wurde dann der Kühlschrank um zwei Holsten erleichtert. Da vom Stammtisch leider keiner da war, gesellte ich mich eben zu den am Nebentisch feiernden Russen. Da gab´s dann erstmal ganz viel "Nastrovje" (bestimmt falsch geschrieben) und der sinnlose Versuch eines Haufens Saufnasen, sich auf Englisch zu unterhalten. Der Typ hat mir da noch irgendwas von Stalingrad erzählt, ich hab keinen Plan, was das sollte. Könnte auch daran liegen, dass ich kaum ein Wort verstanden hab. Er selbst war bestimmt nicht da, und der Führer ist (zum Glück) ja nun auch schon ein paar Jahrzehnte in der Klapsmühle des Jenseits. Eigntlich wollte ich ´nen Typen noch ´n paar Fotos von uns machen lassen, aber die Super-Gratis-Digitalkamera, die es zum neuen Handy meiner Eltern als Zugabe gab, legte mal eben fachgerecht den Löffel weg. Scheissteil. Zumindest haben die Russen mir ´n Bild per E-Mail geschickt. Danke Jungs!
Das Bier bei Knappi war auch bitter nötig, da ich mir fest vorgenommen hatte diesmal keine Holsten-alkfrei-Sosse im Stadion zu kaufen. Ehrlich gesagt: Ich hab mich fast gewundert, dass die mich da noch reingelassen haben. Ich hab nicht getorkelt oder sowas, hatte aber das Gefühl, dass meine Augen doch ´nen ziemlich glasigen Eindruck machen würden, was auch etwas an der inzwischen vorhandenen Übermüdung in Verbindung mit dem Bier lag. Die fitteste Optik hatte ich jedenfalls bestimmt nicht mehr. Ich hatte zumindest schon die Bitte für die Ordner auf den Lippen, meine nicht entwertete Karte an den nächsten verschenken zu dürfen, falls die mich für zu weggetreten halten sollten. Es gab dann aber keinerlei Probleme, und ich konnte nach ´ner Pullerpause die Stufen hoch in die letzte Reihe von Block 24 erklimmen. Uff...
Irgendein Schiedsrichter war auch da, aber den Namen hab ich schon wieder vergessen. Ausser der Roten für Atouba hatte der auch keine grossartigen Aktionen auf Lager, und die war berechtigt.
Die Aufstellung... Berisha, endlich! Die Fans waren trotz der hoffnungslosen Lage doch noch ziemlich zahlreich erschienen und wollten der Mannschaft wohl einen stimmungsvollen Abgang von der internationalen Bühne gönnen. Wer konnte da ahnen, wie heftig das noch in die Hose gehen sollte.
Das Spiel ging ganz gut los. Ohne den Druck des "Wir müssen!" spielte die Mannschaft gleich ´ne ganze Ecke besser. Ausserdem schien van der Vaart sich auf seine Weise für seinen Blackout von Bochum entschuldigen zu wollen, und rannte sich die Lunge aus dem Hals. So wurden die Gäste ganz schön hinten festgenagelt, nur das verdammte Tor hatte keine Lust den Ball reinzulassen.
Die tragische Figur dieses Spiels hiess eindeutig Atouba. Doll, wenn der nicht fit ist, dann lass den bitte nicht spielen! Oder Timmy muss selbst von sich aus sagen: "Trainer, geht nicht." So wird das nix, gar nix. Schon beim ersten Angriff der Russen verursachte Atouba einen Elfmeter, und unser ganzes gutes Spiel bis dahin war für´n A... 0:1 durch Olic.
Zumindest steckten unsere Jungs danach nicht auf. Im Gegenteil es kamen weiter wütende Angriffe auf das Tor von (ich muss ma nachgucken wie man den schreibt..) Akinfeew. Der wehrte sich auch nach Kräften gegen den Sturmlauf, musste aber zu unserer Begeisterung den Ball nach etwa ´ner halben Stunde trotzdem auf der Kiste holen. Atouba hatte seinen Patzer wieder ausgebügelt, und einen Ball per Kopf zum freistehenden Berisha (bitte, geht doch!) befördert, der dann nur noch einschieben musste. Und das dann auch tat, 1:1.
Irgendwie war es ein komisches Spiel, denn nicht nur bei uns sah ein ausgewechselter Spieler ´ne Karte. Irgendein schon rausgenommener Russe macht auf der Bank für den Geschmack des Schieris etwas zu viel Terz, und bekam die gelbe Pappe vor die Augen gehalten. Das mögliche und eigentlich verdiente 2:1 durch van der Vaart vermasselte uns dann kurz vor der Pause mal wieder der beste Mann der Russen, Akinfeew.
Pause, treppab, pullern, treppauf, weiter geht´s.
Ehrlich gesagt sind mir viele Dinge der zweiten Halbzeit nur noch bruchstückhaft in Erinnerung, deshalb muss ich mir hier etwas mit nachgeholten Infos behelfen. Meine Augen wollten (obwohl ich ja schon länger kein Bier mehr nachgefüllt hatte) einfach nicht mehr so, ich konnte das Ergebnis auffer Anzeigetafel am anderen Ende des Stadions kaum noch lesen.
Erstmal war so ´n bisschen die Luft bei uns raus, wir bekamen den Ball zunächst einfach nicht mehr gefährlich vor´s Tor der Russen. Als die Mannschaft dann wieder besser wurde, und die Russen zweimal Glück hatten dass wir die Pille nicht schon inner Kiste untergebracht hatten, kam wie in der ersten Halbzeit ein Haufen Mist zusammen. Irgendwie verliess sich ein Hamburger Abwehrspieler auf den nächsten, und deshalb machte dann keiner wirklich was. Atouba leider auch nicht, was ziemlich üble Folgen haben sollte. Einmal das total unverdiente 1:2 durch Zhirkov (auch noch per Beinschuss bei Wächter), und dann hatte ein Teil des Publikums komplett den Verstand verloren.
Atouba war auf der "Sünder"-Liste gelandet, und wurde von da an konsequent fertiggemacht. Bei jedem Ballkontakt gab es ein übelstes Pfeifkonzert gegen den eigenen Spieler, bis der selber nicht mehr konnte / wollte und um seine Auswechslung bat. Doll tat ihm den Gefallen...
Die Ereignisse sind weithin bekannt. Atouba geht raus, wird beschimpft und ausgepfiffen, und zeigt daraufhin diverse unschöne Finger in die Runde, worauf auch noch Bierbecher auf ihn fliegen und er ´ne nachträgliche Rote vom Schieri kassiert.
Wisst ihr was: Wenn da wirklich Sprüche wie "Scheiss Nigger" oder "Geh zurück in den Busch" gefallen sind, hat er sich meiner Meinung nach noch viel zu nett ausgedrückt! Ich hab bisher nur ein Video auf Youtube von der Szene gesehen, und muss sagen: Für solche durchgedrehten Spacken wie einen Teil der Ehrentribüne an dem Abend, kann man sich als Fan wirklich nur schämen! Die haben nicht nur nicht mehr alle Tassen im Schrank, da fehlt gleich der ganze Schrank! Klar hat Atouba in dieser Saison oft ziemlichen Mist gespielt, aber die haben sich aufgeführt wie BSE-Bullen mit Tollwut und ´nem Bolzenschussgerät am Hoden. Da hätte Doll seinen Spieler lieber schützen und halt nicht aufstellen sollen, der stand ja nicht erst seit dem Spiel stark in der Kritik.
Jedenfalls hat dieser Abend einen ganz bitteren Beigeschmack, und wenn man dazu noch die Jahreshauptversammlung vom Montag nimmt, dann muss man leider sagen, dass es bei uns nicht nur im sportlichen Bereich heftige Probleme gibt. Weil das hier ein Tourbericht werden soll nehm ich dafür nur ein Wort und mach dann mit dem Kick weiter: "Schande!"
Nun denn, mit aufgeheizten Gemütern ging´s weiter in die letzten 20 Minuten dieses Spiels. Erstmal wurde nur kräftig gewechselt. Für den bemühten Ljuboja kam Guerrero, und dann acht Minuten vor Schluss für Jarolim Sanogo.
Damit hatte Doll dann bei seinen Wechseln wirklich alles richtig gemacht, ist ihm auch schon lange nicht mehr passiert. Okay, etwas Glück war dann auch dabei, als ein Russe den Ball van der Vaart genau vor die Füsse köpfte, und dieser dann das trotz kurzzeitiger Durststrecke hochverdiente 2:2 erzielte. Um mich wachzuhalten hatte ich mit inzwischen an der Blechwand hinter meinem Sitz fast Blasen an die Hände gekloppt. Das Ding verführt einfach so zum Krach machen...
Unglaublich: Nachdem Berisha noch zwei Minuten vor Schluss Pech hatte und am Torwart scheiterte, landete eine schöne Flanke von van der Vaart bei Sanogo, der die Pille dann mit einer ordentlichen Ladung Wut im Bauch in die Maschen drosch. 3:2, die, die noch im Stadion waren (einige waren ja so schlau sich mal wieder schon ´ne halbe Ewigkeit vor´m Abpfiff zu verpieseln), flippten mal eben kollektiv aus. Ein Heimsieg? Ein richtiger?! So mit drei Punkten? Und mehr Toren als der Gegner?
Ja, und fast sogar mit zwei Toren mehr als der Gegner. Leider knüppelte Sanaogo seine Chance in der Nachspielzeit nur an die Latte. Verdammt, was muss in dem alles hochgekommen sein, nachdem er ja auch von etlichen Leuten als Sündenbock der letzten Wochen in die Ecke gestellt wurde.
Nach dem Abpfiff durften wir dann endlich mal wieder mit der Mannschaft feiern, das heisst, mit denen die nicht wegen der Sache mit Atouba aus Protest gleich in der Kabine verschwanden. Ich verschwand danach auch, und zwar zu Knappi. Rumbrüllen und anne Wand hauen macht durstig. Leider war weder jemand vom Stammtisch, noch die Russen von der Party vor´m Spiel da, deshalb beschloss ich den Kult-Imbiss diesmal frühzeitig zu verlassen. Dann muss man jedenfalls nicht so zur S-Bahn hetzen. Ausserdem war mir irgendwie duselich genug.
Ich hab´s noch irgendwie geschafft die richtige S-Bahn zu nehmen, das war ja schonmal ´ne Leistung, In Pinneberg auch in den richtigen Zug zu steigen auch. Dann aber gaben totale Übermüdung und Bier sich die ausknockende Ehre, und liessen mich für genau zehn Minuten einschlummern. Als ich wieder wach wurde fragte ich jemanden, ob wir schon an Neumünster vorbeiwären, und der sagte zu meinem Entsetzen: "Ja."
Scheisse! Das hiess erstmal weiter nach Kiel... Nächster Zug in Richtung Rendsburg: 3.40 Uhr. Au weia! Also versuchte ich mich in der Wartebude auf den Holzbänken ´ne Runde auf´s Ohr zu hauen, was aber wegen der vorhandenen Ungemütlichkeit nicht wirklich zu ´nem erholsamen Nickerchen führte. So machte ich mich dann völlig gerädert mit der Nord-Ostsee-Bahn um kurz nach halb Vier auf den Weg in die Heimat. Um ca. halb Fünf war ich endlich zu Hause.
Nu fragt mich bitte nicht, wie die Spätschicht am nächsten Tag war...
Gruss
Dilbert