Dilbert
Pils-Legende
Wird mal wieder Zeit in die Tasten zu hauen...
34. Spieltag 2014 - 2015
Mahlzeit!
(Moment, ich hol mir schnell ´n Bier...)
So. Prost!
Der Tag, der alles entscheiden sollte, begann mit einem unguten Gefühl im Bauch schon morgens um fünf. Nicht weil ich da unbedingt austehen musste, sondern weil ich 1. schon seit Tagen hypernervös in der Gegend rumgeeiert bin, und 2. mein interner Frühdienstwecker mich jeden Tag um 5.00 Uhr aufwachen lässt, ob ich nu frei habe oder nicht. Bis 7.00 Uhr war noch ein bisschen dösen drin, danach liess mir die Aussicht auf den eventuellen ersten Abstieg der Vereinsgeschichte keinerlei Ruhe mehr.
Bis morgens um zehn hatte ich zumindest einen Mitfahrer gefunden, nachdem ich die freie Stehplatzkarte eine Woche lang in meinem Freundeskreis angeboten hatte wie Sauerbier. Aber mein Gladbach-Kumpel Achim, der aus Solidarität gegen Augsburg und Freiburg dabei war, hatte den nicht ganz unwichtigen Job als Trauzeuge bekommen und konnte sich da auch nicht mehr rauswinden, ein anderer war beim lange gebuchten Urlaub in Dänemark, und noch jemand anders meldete sich gar nicht erst zurück. Zum Glück kam von Daniel die Facebook-Nachricht, dass er sich doch mal wieder ins Stadion aufraffen wollte. So musste ich den eventuellen Gang zum Schaffott nicht allein antreten.
Den Rest des Vormittags verbrachte ich im Chat mit einer Freundin und HSV-Sympathisantin aus München, die ebenfalls komplett auf´m Teller drehte. So wurden alle Szenarien tausendmal durchgekaut, Tabellen berechnet (und entsetzt wieder verworfen) und so ganz nebenbei konnte ich ihr auch noch beipulen, dass "Becks' Green Lemon" einmal eine Vergewaltigung von Bier darstellt, und die Zusammenstellung "Becks'" und "Green" nur was für Anhänger der Weserwasserpinkler ist. Sie kaufte sich daraufhin Warsteiner, auch nicht die hohe Braukunst, aber zumindest moralisch vertretbar, wenn man es mit´m HSV hält.
Was macht man nicht alles um den Laden zu retten. So kramte ich mein traditionelles Bockwurstfrüh-/ spätstück aus erfolgreicheren Zeiten und das uralte "Dilbert"-Trikot wieder hervor, drei Bier innen Rucksack mampf, knusper (Rülps!) und ab zum Bahnhof. Daniel war schon da und anscheinend nicht weniger nervös als ich. Der erste Halbe war dann auch schon leer, bevor der Zug nach Hamburg mit zehn Minuten Verspätung eintrudelte. Aber ich will mich nicht beschweren, ein paar Tage zuvor schien es ja mal wieder so als würde die Hälfte der Züge überhaupt nicht fahren.
Neben uns im Zug sassen ein paar Schalke-Fans, die ihre zuletzt grottenunfähige Mannschaft aber dermassen abgeschrieben hatten, dass sie uns schon wieder die Daumen drückten.Wat sollten wir denn da nach den Spielen gegen Freiburg und in Stuttgart, als man zwei Chancen grandios vergeigt hat schon alles klar zu machen, erst sagen?
Da die alte Tour über Pinneberg wegen des veränderten Fahrplans nicht mehr drin war, mussten wir leider über Dammtor anreisen. Und die S-Bahn aus dieser Richtung erwies sich mal wieder als Quetschkommode erster Verdichtungsstufe. Jedenfalls waren wir froh, als wir in Stellingen aus der Gondel rausplatzen konnten... um direkt in eine Polizeiabsperrung zu geraten. Diese hielt zum Glück nicht lange an.
Auf dem Weg zum Stadion war schon die Hölle los. Böller und Rauchbomben flogen wohin das Auge reichte (was nicht gerade weit war wegen dem ganzen Qualm), die Fans grölten sich warm als ginge es um den Einzug in die Champions-League und nicht um den Klassenerhalt. Ja, hier ging definitiv die Post ab. Sowas hatte ich bisher noch nie erlebt, und ich hänge ja nun auch schon über 21 Jahre mehr oder weniger regelmässig auf Hamburger Stehplätzen herum.
Bevor wir ins Stadion latschten war noch ein Beruhigungsbier nötig. Und wo trinkt man das? Knappi, sei mit uns! Bei der besten Wurstbude überhaupt standen auch noch ein paar Jungs von der kultigen Manchester-Fahrt rum (Europa, das waren noch Zeiten), die mich natürlich wieder damit aufziehen mussten wie es ohne den späten Ausgleich von Borussia im Februar stehen würde... Dieses Spiel war aber irgendwie gefühlte 100 Jahre her, damals hatte man auf Hamburger Seite alles noch selbst in der Hand und bei Gladbach träumte man allenfalls nach´m zwölften Halben davon sich schon am 33. Spieltag direkt für die Champions-League zu qualifizieren.
Zur Sicherheit gab es bei Knappi zwei Bier, und das war gut so. Denn kaum hatte man klapprigen Schrittes die Einlasskontrollen hinter sich gebracht, kamen einem schon die ersten Bierverkäufer entgegengelatscht... Mit "Jever Fun".
Ein Wort dafür reicht: "BUUUUUÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄRGS!!!!"
Na ja, so eine Plörre regt zur Sparsamkeit an, hilft aber andererseits nicht gerade bei der Nervösitätsbekämpfung. Zur Feier des Tages liefen dann auch noch die Herrenklos über, weshalb man da einen Zentimeter tief in einer Wasserlache (ich rede mir mal tapfer ein dass es Wasser war) rumstand.
Harald nebst Frau und Kind, Wolfgang und Reinhard standen natürlich schon auf unseren Stammplätzen, und nach einer fröhlichen Begrüssung stimmte man sich so langsam auf das Spiel ein. Nochmal wurde die Tabelle durchgerechnet, nochmal alle Szenarien durchgekaut, und natürlich kam dasselbe wie am Vormittag mit Bibi dabei raus: Ach du Sch... In mir kamen alte Erinnerungen an den Mai 2011 hoch, als ich als Gladbacher mangels Gästekarte als Geheimagent im HSV-Block stand. Der Unterschied: DIe Borussen hatten damals in den letzten zehn Spielen ordentlich gepunktet und teilweise wirklich sehr guten Fussball gespielt. Beim HSV stand jetzt eine Torausbeute von 23 Buden in 33 Spielen auf´m Brett und sie mussten treffen, egal wie. Gojko der Grosse wurde beschworen doch seine Kunststücke von Freiburg und Mainz zu wiederholen.
Schiedsrichter war... ach, weiss ich gar nicht mehr, und ich bin zu faul jetzt nachzugucken. Da der gute Pfeifenmann eh keinen Mist gebaut hat, isset auch nicht so wichtig.
Anpfiff! Die Bude war gut am kochen, auch wenn ich sagen muss dass mir der Mann am Nordtribünen-Mikro nach einer Weile ganz schön auf den Keks ging, und nicht nur mir. Teilweise ist man in so ´nem Spiel eben doch damit beschäftigt in seinen Schal zu beissen oder ähnliches zu veranstalten.
Das Spiel..., ähm... ja. Schalke betrieb seine bräsige Spielweise der letzten Partien konsequent weiter, und beim HSV waren die Hosen gefüllt bis zum Rand. Sicherheitspässe im Dutzend. Aber, und das muss man auch sagen: Die Jungs wollten. Es wurde gerannt und gegrätscht, die Zweikämpfe wurden angenommen (und zum Grossteil auch gewonnen), und zum besten Mann auf´m Platz avancierte... unglaublich: HW4 (jedenfalls bis zur ungefähr 75. Minute). Wie kann ein Typ, der sonst dermassen den Pannenaugust mimt und ca 1/3 aller Gegentore verschuldet in so einem wichtigen Spiel so eine souveräne Leistung auf den Rasen legen, jeden wichtigen Zweikampf gewinnen und auch ansonsten immer einen Schritt schneller als der Gegner sein? Okay, der Gegner war auch schlecht, aber nachdem ich Heiko in den letzten Jahren immer wieder verflucht habe bis zum Anschlag will ich ihm auch mal die Ehre erweisen, die er sich verdient hat.
Bei einem unserer wenigen Vorstösse in den ersten 25 Minuten flog dann leider Lasogga im Strafraum unglücklich auf die Schulter und musste ausgewechselt werden. Für ihn kam Rudnevs, was unsere Torgefahr nicht unbedingt erhöhte. Andererseits lag in den Angriffen bei allem Einsatz oftmals ein dermassener Zitterfuss, dass es mit Vorlagen zu Torschüssen nicht gerade weit her war. Zu diesem Zeitpunkt lief eigentlich allles super auf den anderen Plätzen: Hannover hatte das frühe 1:0 gegen Freiburg gemacht und auch Paderborn entgegen aller meiner Erwartungen die Führung gegen Stuttgart erzielt. Nun mussten wir nur noch selbst treffen, was aber an der Nervosität der eigenen Mannschaft scheiterte. Da half auch Haralds "Glückspinkel"-Ausflug nichts, der beinahe mit blauen Flecken geendet wäre, weil irgendso´n Schwachmat meinte ihn die überfüllte Treppe runterschubsen zu müssen. Der soll froh sein, dass keiner von uns dabei war.
Die grösste Möglichkeit der ersten Halbzeit hatten kurz vor dem Ende der ersten Hälfte die Gäste, aber Huntelaar murmelte die Pille aus eigentlich komfortabler Position halbherzig am Pfosten vorbei. Da stand es in Paderborn schon 1:1, und dabei blieb es dann auch bis zur Halbzeit.
Pause, alles lief nach Plan, bis auf unser Ergebnis.
Zweite Halbzeit... (Ich hol mal noch´n Bier, Moment...Prost!)
Nach einer weiteren Huntelaar-Gurke kamen unsere Jungs endlich mal wieder in Strafraumnähe und zu einer Ecke. El Propheto Harald winkte schon ab: "Nach Ecken schiessen wir doch eh keine Tore...", um zehn Sekunden zusammen mit dem Reststadion völlig auszuflippen. Die (wirklich selten beschissen getretene) Ecke flog Djourou an die Rektumumrandung und eierte von da aus wie auch immer Olic vor die Füsse, der endlich seinen Torriecher wiederfand und das Ding ins lange Eck kloppte.
Vorher war es ja schon laut, jetzt drehte der Kasten endgültig durch. Dieses poplige 1:0 konnte bei den Ständen auf den anderen Plätzen die Rettung sein, zumal die Schalker im bisherigen Spielverlauf nicht den Eindruck erweckt hatten als wären sie am Spielgeschehen sonderlich interessiert. Aber verdammte Scheisse war das alles noch knapp, ein reingemurkster Ball in Paderborn und ´ne übliche Frontzecksche Abwehrleistung in Hannover (ich weiss wovon ich rede), und schon war alles im Ar***. Zudem hatten wir ja noch Heiko auf dem Platz, und auch wenn der bisher die Bank schlechthin da hinten war, dem Braten traute man irgendwie trotzdem nicht.
Aber Heiko blieb bis zu seiner Auswechslung die Bank. Und Rajkovic machte nach einem Freistoss das für uns erlösende 2:0. Nochmal ausflippen, bitte! Danke!
Natürlich wurde (wie auch schon vorher) das trotzige, beschwörende "Sechsmal Deutscher Meister... immer erste Liga..."-Lied zur Melodie der grandiosen Twisted Sister gegrölt. Und natürlich stand das alles noch auf sehr wackeligen Beinen. Die Schalker gedachten nicht daran da mit einzusteigen. Als bei uns schon lange bekannt war, dass Stuttgart in Führung lag, brandete im Schalker Block nochmal Jubel auf und es wurde mit Taschentüchern in unsere Richtung gewunken. Was war denn nu los, Ausgleich in Hannover?! Oder wie? Sämtliche Mobilfunknetze brachen zusammen, keiner wusste mehr genau was auf den anderen Plätzen los war, und irgendein Witzbold gab dann auch noch ´ne Falschmeldung über den angeblichen Ausgleich in Paderborn raus... Die Verwirrung war also komplett, so ungefähr zu dem Zeitpunkt als der unglückseelige Krmas seinem eigenen Torwart den Ball durch die Hände bolzte und die armen Freiburger fast beerdigte.
Das muss auch ungefähr der Zeitpunkt gewesen sein, an dem Rajkovic den totalen Blackout hatte und die Pille mit einem Heiko-verdächtigen Querpass vor unserer eigenen Bude Choupo-Moting in die Galoschen schob. Zum Glück hat Adler seit seiner Rückkehr als Stammtorwart seine Höchstform wieder, die uns schon gegen Freiburg den schmeichelhaften Heimpunkt rettete (und löste Westermann als Held des Tages ab). Kommen sie nach Hamburg, Nervenzusammenbrüche sind im Eintrittspreis inbegriffen... Rudnevs kloppte das Ei dann kurz vor Schluss nochmal ans Aussennetz, und dann endete ein höchst durchschnittliches Bundesliga-Spiel mit weit überdurchschnittlicher Bedeutung für den HSV.
Abpfiff, und die Frage aller Fragen: Wie steht es in Paderborn? Und in Hannover? Die Netze waren immer noch tot, bis ca. vier oder fünf Minuten nach dem Abpfiff ging da gar nichts. Durch die Paderborner Falschmeldung fühlten wir uns schon ein Stück weit gerettet, aber das war dann leider nix. Nun heisst es also Relegation, mal wieder...
Und Dienst tauschen am Donnerstag. Und Fahrt organisieren. Und überhaupt und so...
Mit einem etwas mulmigen Gefühl ging es zu Knappi, aber da es ja im Stadion kein Bier gab, standen die durstigen Massen jetzt da rum um sich ihre Flüssigbrötchen zu holen. An ein Durchkommen war beim besten Willen nicht zu denken, also mussten sich unsere ausgedörrten Schnuten noch bis zum Hauptbahnhof gedulden. Edeka, ich muss zu Edeka...
Der Zug stand schon am Bahnsteig bereit, und ich muss hier mal anmerken dass das was die Bahn sich da leistet echt ´ne Frechheit ist. Draussen an den Waggons steht 2. Klasse dran, drinnen sind die als 1. Klasse ausgewiesen. HÄ? Wenn man von sieben Waggons vier für die erste Klasse reserviert bleibt für uns Billigticketfahrer am Ende nur noch das Fahrradabteil übrig. Zumal die wie schon geschrieben ja einfach nur die Kisten von innen neu gekennzeichnet haben, ohne irgendwas an der Ausstattung zu ändern. Zum Glück fand die Zugbegleiterin das genauso blöde wie wir, und gab dann kurz vor der Abfahrt die Wagen frei, die sonst völlig leer losgerattert wären. Und zum Glück kam der Mann mit dem Mitropa-Wagen und den Flensburger-Dosen ca. in Höhe Neumünster noch bei uns vorbei.
In Rendsburg angekommen ging es erst zum Dönerladen um zwei Dosenbrote zu holen, und anschliessend zur Tanke um den Rest des Abends irgendwie flüssig füllen zu können. Natürlich steht da dann genau mein Geschäftsführer drin als ich unser Leergut aus dem Rucksack auf den Tresen packe... Na ja, der kennt mich eh, und ich war nicht dicht bis zum Anschlag (und musste am Sonntag auch nicht arbeiten). Der Abend endete dann erst bei Günter und anschliessend noch in zwei Lokalen, bis ich so drei Uhr nachts völlig gerädert nach Hause kam.
Donnerstag geht´s weiter... Nochmal 180 Minuten zittern, den Fussballgott beschwören und Montag nervös um den Wohnzimmertisch rennen bis der Fussboden qualmt. Zumindest haben sie es jetzt wieder selbst in der Hand. Letzte Saison war das alles emotional nicht so schlimm, weil sie da schon vorher einen dermassenen seelenlosen Scheiss zusammengekickt haben, dass der Abstieg die logische Konsequenz hätte sein müssen. Seit Bruno da ist haben sie sich aber diesmal wieder berappelt und sie tun endlich was für den Klassenerhalt, auch wenn es fussballerisch oftmals noch so limitiert ist. Das macht die Sache dann schon schwerer zu verdauen, wenn es nicht klappen sollte.
Die Bude ist schon ausverkauft. Ich werde da sein.
Abschliessend ein passendes Song-Zitat zum Thema HSV:
"Du bringst mich um
meinen Verstand
Du schlägst mich tot
al in deinen Bann
Du richtest mich hin
und wieder ganz schön zu
Ich bin erledigt
und der Grund dafür bist du..."
(Text: J.B.O.: "Du bringst mich um")
Gruss
Dilbert
34. Spieltag 2014 - 2015
Mahlzeit!
(Moment, ich hol mir schnell ´n Bier...)
So. Prost!
Der Tag, der alles entscheiden sollte, begann mit einem unguten Gefühl im Bauch schon morgens um fünf. Nicht weil ich da unbedingt austehen musste, sondern weil ich 1. schon seit Tagen hypernervös in der Gegend rumgeeiert bin, und 2. mein interner Frühdienstwecker mich jeden Tag um 5.00 Uhr aufwachen lässt, ob ich nu frei habe oder nicht. Bis 7.00 Uhr war noch ein bisschen dösen drin, danach liess mir die Aussicht auf den eventuellen ersten Abstieg der Vereinsgeschichte keinerlei Ruhe mehr.
Bis morgens um zehn hatte ich zumindest einen Mitfahrer gefunden, nachdem ich die freie Stehplatzkarte eine Woche lang in meinem Freundeskreis angeboten hatte wie Sauerbier. Aber mein Gladbach-Kumpel Achim, der aus Solidarität gegen Augsburg und Freiburg dabei war, hatte den nicht ganz unwichtigen Job als Trauzeuge bekommen und konnte sich da auch nicht mehr rauswinden, ein anderer war beim lange gebuchten Urlaub in Dänemark, und noch jemand anders meldete sich gar nicht erst zurück. Zum Glück kam von Daniel die Facebook-Nachricht, dass er sich doch mal wieder ins Stadion aufraffen wollte. So musste ich den eventuellen Gang zum Schaffott nicht allein antreten.
Den Rest des Vormittags verbrachte ich im Chat mit einer Freundin und HSV-Sympathisantin aus München, die ebenfalls komplett auf´m Teller drehte. So wurden alle Szenarien tausendmal durchgekaut, Tabellen berechnet (und entsetzt wieder verworfen) und so ganz nebenbei konnte ich ihr auch noch beipulen, dass "Becks' Green Lemon" einmal eine Vergewaltigung von Bier darstellt, und die Zusammenstellung "Becks'" und "Green" nur was für Anhänger der Weserwasserpinkler ist. Sie kaufte sich daraufhin Warsteiner, auch nicht die hohe Braukunst, aber zumindest moralisch vertretbar, wenn man es mit´m HSV hält.
Was macht man nicht alles um den Laden zu retten. So kramte ich mein traditionelles Bockwurstfrüh-/ spätstück aus erfolgreicheren Zeiten und das uralte "Dilbert"-Trikot wieder hervor, drei Bier innen Rucksack mampf, knusper (Rülps!) und ab zum Bahnhof. Daniel war schon da und anscheinend nicht weniger nervös als ich. Der erste Halbe war dann auch schon leer, bevor der Zug nach Hamburg mit zehn Minuten Verspätung eintrudelte. Aber ich will mich nicht beschweren, ein paar Tage zuvor schien es ja mal wieder so als würde die Hälfte der Züge überhaupt nicht fahren.
Neben uns im Zug sassen ein paar Schalke-Fans, die ihre zuletzt grottenunfähige Mannschaft aber dermassen abgeschrieben hatten, dass sie uns schon wieder die Daumen drückten.Wat sollten wir denn da nach den Spielen gegen Freiburg und in Stuttgart, als man zwei Chancen grandios vergeigt hat schon alles klar zu machen, erst sagen?
Da die alte Tour über Pinneberg wegen des veränderten Fahrplans nicht mehr drin war, mussten wir leider über Dammtor anreisen. Und die S-Bahn aus dieser Richtung erwies sich mal wieder als Quetschkommode erster Verdichtungsstufe. Jedenfalls waren wir froh, als wir in Stellingen aus der Gondel rausplatzen konnten... um direkt in eine Polizeiabsperrung zu geraten. Diese hielt zum Glück nicht lange an.
Auf dem Weg zum Stadion war schon die Hölle los. Böller und Rauchbomben flogen wohin das Auge reichte (was nicht gerade weit war wegen dem ganzen Qualm), die Fans grölten sich warm als ginge es um den Einzug in die Champions-League und nicht um den Klassenerhalt. Ja, hier ging definitiv die Post ab. Sowas hatte ich bisher noch nie erlebt, und ich hänge ja nun auch schon über 21 Jahre mehr oder weniger regelmässig auf Hamburger Stehplätzen herum.
Bevor wir ins Stadion latschten war noch ein Beruhigungsbier nötig. Und wo trinkt man das? Knappi, sei mit uns! Bei der besten Wurstbude überhaupt standen auch noch ein paar Jungs von der kultigen Manchester-Fahrt rum (Europa, das waren noch Zeiten), die mich natürlich wieder damit aufziehen mussten wie es ohne den späten Ausgleich von Borussia im Februar stehen würde... Dieses Spiel war aber irgendwie gefühlte 100 Jahre her, damals hatte man auf Hamburger Seite alles noch selbst in der Hand und bei Gladbach träumte man allenfalls nach´m zwölften Halben davon sich schon am 33. Spieltag direkt für die Champions-League zu qualifizieren.
Zur Sicherheit gab es bei Knappi zwei Bier, und das war gut so. Denn kaum hatte man klapprigen Schrittes die Einlasskontrollen hinter sich gebracht, kamen einem schon die ersten Bierverkäufer entgegengelatscht... Mit "Jever Fun".
Ein Wort dafür reicht: "BUUUUUÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄRGS!!!!"
Na ja, so eine Plörre regt zur Sparsamkeit an, hilft aber andererseits nicht gerade bei der Nervösitätsbekämpfung. Zur Feier des Tages liefen dann auch noch die Herrenklos über, weshalb man da einen Zentimeter tief in einer Wasserlache (ich rede mir mal tapfer ein dass es Wasser war) rumstand.
Harald nebst Frau und Kind, Wolfgang und Reinhard standen natürlich schon auf unseren Stammplätzen, und nach einer fröhlichen Begrüssung stimmte man sich so langsam auf das Spiel ein. Nochmal wurde die Tabelle durchgerechnet, nochmal alle Szenarien durchgekaut, und natürlich kam dasselbe wie am Vormittag mit Bibi dabei raus: Ach du Sch... In mir kamen alte Erinnerungen an den Mai 2011 hoch, als ich als Gladbacher mangels Gästekarte als Geheimagent im HSV-Block stand. Der Unterschied: DIe Borussen hatten damals in den letzten zehn Spielen ordentlich gepunktet und teilweise wirklich sehr guten Fussball gespielt. Beim HSV stand jetzt eine Torausbeute von 23 Buden in 33 Spielen auf´m Brett und sie mussten treffen, egal wie. Gojko der Grosse wurde beschworen doch seine Kunststücke von Freiburg und Mainz zu wiederholen.
Schiedsrichter war... ach, weiss ich gar nicht mehr, und ich bin zu faul jetzt nachzugucken. Da der gute Pfeifenmann eh keinen Mist gebaut hat, isset auch nicht so wichtig.
Anpfiff! Die Bude war gut am kochen, auch wenn ich sagen muss dass mir der Mann am Nordtribünen-Mikro nach einer Weile ganz schön auf den Keks ging, und nicht nur mir. Teilweise ist man in so ´nem Spiel eben doch damit beschäftigt in seinen Schal zu beissen oder ähnliches zu veranstalten.
Das Spiel..., ähm... ja. Schalke betrieb seine bräsige Spielweise der letzten Partien konsequent weiter, und beim HSV waren die Hosen gefüllt bis zum Rand. Sicherheitspässe im Dutzend. Aber, und das muss man auch sagen: Die Jungs wollten. Es wurde gerannt und gegrätscht, die Zweikämpfe wurden angenommen (und zum Grossteil auch gewonnen), und zum besten Mann auf´m Platz avancierte... unglaublich: HW4 (jedenfalls bis zur ungefähr 75. Minute). Wie kann ein Typ, der sonst dermassen den Pannenaugust mimt und ca 1/3 aller Gegentore verschuldet in so einem wichtigen Spiel so eine souveräne Leistung auf den Rasen legen, jeden wichtigen Zweikampf gewinnen und auch ansonsten immer einen Schritt schneller als der Gegner sein? Okay, der Gegner war auch schlecht, aber nachdem ich Heiko in den letzten Jahren immer wieder verflucht habe bis zum Anschlag will ich ihm auch mal die Ehre erweisen, die er sich verdient hat.
Bei einem unserer wenigen Vorstösse in den ersten 25 Minuten flog dann leider Lasogga im Strafraum unglücklich auf die Schulter und musste ausgewechselt werden. Für ihn kam Rudnevs, was unsere Torgefahr nicht unbedingt erhöhte. Andererseits lag in den Angriffen bei allem Einsatz oftmals ein dermassener Zitterfuss, dass es mit Vorlagen zu Torschüssen nicht gerade weit her war. Zu diesem Zeitpunkt lief eigentlich allles super auf den anderen Plätzen: Hannover hatte das frühe 1:0 gegen Freiburg gemacht und auch Paderborn entgegen aller meiner Erwartungen die Führung gegen Stuttgart erzielt. Nun mussten wir nur noch selbst treffen, was aber an der Nervosität der eigenen Mannschaft scheiterte. Da half auch Haralds "Glückspinkel"-Ausflug nichts, der beinahe mit blauen Flecken geendet wäre, weil irgendso´n Schwachmat meinte ihn die überfüllte Treppe runterschubsen zu müssen. Der soll froh sein, dass keiner von uns dabei war.
Die grösste Möglichkeit der ersten Halbzeit hatten kurz vor dem Ende der ersten Hälfte die Gäste, aber Huntelaar murmelte die Pille aus eigentlich komfortabler Position halbherzig am Pfosten vorbei. Da stand es in Paderborn schon 1:1, und dabei blieb es dann auch bis zur Halbzeit.
Pause, alles lief nach Plan, bis auf unser Ergebnis.
Zweite Halbzeit... (Ich hol mal noch´n Bier, Moment...Prost!)
Nach einer weiteren Huntelaar-Gurke kamen unsere Jungs endlich mal wieder in Strafraumnähe und zu einer Ecke. El Propheto Harald winkte schon ab: "Nach Ecken schiessen wir doch eh keine Tore...", um zehn Sekunden zusammen mit dem Reststadion völlig auszuflippen. Die (wirklich selten beschissen getretene) Ecke flog Djourou an die Rektumumrandung und eierte von da aus wie auch immer Olic vor die Füsse, der endlich seinen Torriecher wiederfand und das Ding ins lange Eck kloppte.
Vorher war es ja schon laut, jetzt drehte der Kasten endgültig durch. Dieses poplige 1:0 konnte bei den Ständen auf den anderen Plätzen die Rettung sein, zumal die Schalker im bisherigen Spielverlauf nicht den Eindruck erweckt hatten als wären sie am Spielgeschehen sonderlich interessiert. Aber verdammte Scheisse war das alles noch knapp, ein reingemurkster Ball in Paderborn und ´ne übliche Frontzecksche Abwehrleistung in Hannover (ich weiss wovon ich rede), und schon war alles im Ar***. Zudem hatten wir ja noch Heiko auf dem Platz, und auch wenn der bisher die Bank schlechthin da hinten war, dem Braten traute man irgendwie trotzdem nicht.
Aber Heiko blieb bis zu seiner Auswechslung die Bank. Und Rajkovic machte nach einem Freistoss das für uns erlösende 2:0. Nochmal ausflippen, bitte! Danke!
Natürlich wurde (wie auch schon vorher) das trotzige, beschwörende "Sechsmal Deutscher Meister... immer erste Liga..."-Lied zur Melodie der grandiosen Twisted Sister gegrölt. Und natürlich stand das alles noch auf sehr wackeligen Beinen. Die Schalker gedachten nicht daran da mit einzusteigen. Als bei uns schon lange bekannt war, dass Stuttgart in Führung lag, brandete im Schalker Block nochmal Jubel auf und es wurde mit Taschentüchern in unsere Richtung gewunken. Was war denn nu los, Ausgleich in Hannover?! Oder wie? Sämtliche Mobilfunknetze brachen zusammen, keiner wusste mehr genau was auf den anderen Plätzen los war, und irgendein Witzbold gab dann auch noch ´ne Falschmeldung über den angeblichen Ausgleich in Paderborn raus... Die Verwirrung war also komplett, so ungefähr zu dem Zeitpunkt als der unglückseelige Krmas seinem eigenen Torwart den Ball durch die Hände bolzte und die armen Freiburger fast beerdigte.
Das muss auch ungefähr der Zeitpunkt gewesen sein, an dem Rajkovic den totalen Blackout hatte und die Pille mit einem Heiko-verdächtigen Querpass vor unserer eigenen Bude Choupo-Moting in die Galoschen schob. Zum Glück hat Adler seit seiner Rückkehr als Stammtorwart seine Höchstform wieder, die uns schon gegen Freiburg den schmeichelhaften Heimpunkt rettete (und löste Westermann als Held des Tages ab). Kommen sie nach Hamburg, Nervenzusammenbrüche sind im Eintrittspreis inbegriffen... Rudnevs kloppte das Ei dann kurz vor Schluss nochmal ans Aussennetz, und dann endete ein höchst durchschnittliches Bundesliga-Spiel mit weit überdurchschnittlicher Bedeutung für den HSV.
Abpfiff, und die Frage aller Fragen: Wie steht es in Paderborn? Und in Hannover? Die Netze waren immer noch tot, bis ca. vier oder fünf Minuten nach dem Abpfiff ging da gar nichts. Durch die Paderborner Falschmeldung fühlten wir uns schon ein Stück weit gerettet, aber das war dann leider nix. Nun heisst es also Relegation, mal wieder...
Und Dienst tauschen am Donnerstag. Und Fahrt organisieren. Und überhaupt und so...
Mit einem etwas mulmigen Gefühl ging es zu Knappi, aber da es ja im Stadion kein Bier gab, standen die durstigen Massen jetzt da rum um sich ihre Flüssigbrötchen zu holen. An ein Durchkommen war beim besten Willen nicht zu denken, also mussten sich unsere ausgedörrten Schnuten noch bis zum Hauptbahnhof gedulden. Edeka, ich muss zu Edeka...
Der Zug stand schon am Bahnsteig bereit, und ich muss hier mal anmerken dass das was die Bahn sich da leistet echt ´ne Frechheit ist. Draussen an den Waggons steht 2. Klasse dran, drinnen sind die als 1. Klasse ausgewiesen. HÄ? Wenn man von sieben Waggons vier für die erste Klasse reserviert bleibt für uns Billigticketfahrer am Ende nur noch das Fahrradabteil übrig. Zumal die wie schon geschrieben ja einfach nur die Kisten von innen neu gekennzeichnet haben, ohne irgendwas an der Ausstattung zu ändern. Zum Glück fand die Zugbegleiterin das genauso blöde wie wir, und gab dann kurz vor der Abfahrt die Wagen frei, die sonst völlig leer losgerattert wären. Und zum Glück kam der Mann mit dem Mitropa-Wagen und den Flensburger-Dosen ca. in Höhe Neumünster noch bei uns vorbei.
In Rendsburg angekommen ging es erst zum Dönerladen um zwei Dosenbrote zu holen, und anschliessend zur Tanke um den Rest des Abends irgendwie flüssig füllen zu können. Natürlich steht da dann genau mein Geschäftsführer drin als ich unser Leergut aus dem Rucksack auf den Tresen packe... Na ja, der kennt mich eh, und ich war nicht dicht bis zum Anschlag (und musste am Sonntag auch nicht arbeiten). Der Abend endete dann erst bei Günter und anschliessend noch in zwei Lokalen, bis ich so drei Uhr nachts völlig gerädert nach Hause kam.
Donnerstag geht´s weiter... Nochmal 180 Minuten zittern, den Fussballgott beschwören und Montag nervös um den Wohnzimmertisch rennen bis der Fussboden qualmt. Zumindest haben sie es jetzt wieder selbst in der Hand. Letzte Saison war das alles emotional nicht so schlimm, weil sie da schon vorher einen dermassenen seelenlosen Scheiss zusammengekickt haben, dass der Abstieg die logische Konsequenz hätte sein müssen. Seit Bruno da ist haben sie sich aber diesmal wieder berappelt und sie tun endlich was für den Klassenerhalt, auch wenn es fussballerisch oftmals noch so limitiert ist. Das macht die Sache dann schon schwerer zu verdauen, wenn es nicht klappen sollte.
Die Bude ist schon ausverkauft. Ich werde da sein.
Abschliessend ein passendes Song-Zitat zum Thema HSV:
"Du bringst mich um
meinen Verstand
Du schlägst mich tot
al in deinen Bann
Du richtest mich hin
und wieder ganz schön zu
Ich bin erledigt
und der Grund dafür bist du..."
(Text: J.B.O.: "Du bringst mich um")
Gruss
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