(on Tour) HSV - Leverkusen 08 - 09

Dilbert

Pils-Legende
4. Spieltag 2008 - 2009

Mahlzeit!

Und wieder einmal ein Tag, den ich wohl so schnell nicht mehr vergessen werde. Dabei hatte ich erst gar keine Lust überhaupt loszufahren. Denn vor der ersten Bierdose stand diesmal der Frühdienst, und später stets der Gedanke an selbigen am Sonntag. Da eine Arbeitskollegin leider schwer erkrankt ist (gute Besserung), mussten wir uns mit jemandem aus einer anderen Abteilung behelfen. Zu meiner Freude war das allerdings eine nicht nur optisch höchst schnucklige Dame, die vor ihrer Versetzung schon einmal bei uns gearbeitet hatte, und deshalb nicht völlig blind ins kalte Wasser geschmissen wurde.

Der Arbeitstag lief dann trotzdem unter dem Motto "Irrsinn juchei" ab. Es dauert normalerweise eine ganze Weile bis mir im Dienst die Birne qualmt, aber bei so vielen völlig dementen, rücksichtslosen, ungeduldigen und / oder durchgeknallten Menschen (von denen die Krönung dann einer ist, der nur Arabisch spricht) geht selbst meine Bierruhe irgendwann flöten. weshalb ich ziemlich im Eimer war, als ich mich um kurz nach halb eins von dannen schlich. Beim Kiosk gegenüber wurde noch schnell ein Billigbier organisiert, und dann zu Bahnhof gedackelt. Da Günni, Werner, Hermann, Daniel und Norbert schon um 11.00 Uhr gefahren waren, musste ich mir also erstmal eine Mitfahrgelegenheit organisieren. Die war bei zwei Ladys schnell gefunden. Na ja, wir hätten auch billiger wegkommen können, aber ab und zu bezahlt man lieber drei Euro pro Person mehr, und lässt dafür den nach einer Mitfahrgelegenheit suchenden, lauten Spinner weitersuchen, als seine Gesellschaft für über eine Stunde ertragen zu dürfen. Nach dem Arbeitstag wollte ich auch erstmal wirklich nichts anderes als sitzen, gemütlich meine Dose austrinken und einfach abschalten... Seit Jol bei uns Trainer ist, kann man ja davon ausgehen, dass das Spiel später Aufregung genug bringen wird.

Im Zug köpfte ich also erst meine Dose, ehe ich mir die Mitreisenden genauer ansah. Und das gab´s einiges zu bestaunen, zum Bleistift den Typen mir gegenüber, optisch das krasse Gegenteil darstellte.

Dilbert: Lange Haare, Holstenplauze, Trikot, Schal, Rucksack, Bierdose.
Gegenüber: ca. 50 - 60, gut frisiert, schwarzer Anzug, mehr oder weniger in seine Geschäftslektüre vertieft, ´ne Art Dokumententasche.

So, und nun zum anderen Teil des Auftritts:

Dilbert: Sitzt friedlich da und trinkt sein Bier.
Gegenüber: Sitzt allgemein auch friedlich da, pult sich allerdings nebenbei mit den Fingernägeln das halbe Hähnchen vom Vortag aus den Zahnzwischenräumen, falls die Finger nicht gerade in der Nase verschwinden und die Ergebnisse der Bohrungen hinter sich an die Kopfstütze pappen.

Ich konnte mir ein "Mahlzeit" gerade noch verkneifen.

Nebenbei kam noch ein Mädel vorbei, bei dem ich mich fragte, ob bei ihr vorn auf dem Bauchfrei-Shirt "Glotz mir auf den Arsch!" steht. Ich weiss nämlich nicht, warum man sonst den neongrünen Stringtanga oben fünf Zentimeter aus der Jeans gucken lassen sollte.

Nun ja, der Rest von der Fahrt gab schonmal ´nen Vorgeschmack auf den Rest des Tages: Der Zug hatte schon in Rendsburg Verspätung, und musste dann wegen Gegenverkehr auch noch vor der Hochbrücke ´ne Weile halten. Zudem gab es in 60 Meter Umkreis genau drei Toiletten, von denen die eine mit einer achtköpfigen türkischen Familie beim Babywickeln besetzt, und dementsprechend mit einer ziemlichen Schlange davor versehen war. Die anderen beiden waren von vornherein gleich im Eimer.

Mit drückender Blase stieg ich in Dammtor aus, während drei Gleise weiter gerade die von mir benötigte S21 in Richtung Eidelstedt abfuhr. Egaaal, die fahren an Spieltagen ja alle zehn Minuten... Also erstmal runter zu McDoofnalds und das Pissbecken bis zum Rand füllen, ehe es noch Malheur im Schlüpper gibt.

"Sehr geehrte Fahrgäste, wegen Bauarbeiten verkehrt die S21 heute nur alle 20 Minuten." AAAARGH!

Wat nu? Sechzehn Minuten auf die S21 warten, oder... ja schnell zum Hauptbahnhof, und die S3 quer durchs Rotlichtviertel nehmen. Ob das am Ende wirklich Zeitgewinn gebracht hat darf an dieser Stelle mal stark bezweifelt werden, aber immerhin war ich in Bewegung. Da es in Stellingen immer so ´nen Stau am Ausgang gibt, stieg ich diesmal in Eidelstedt aus, man hatte es ja auch sehr eilig.

"Ich werde kein Bier bei Knappi trinken" (Da vorn ist die Bude), "Ich werde kein Bier bei Knappi trinken" (Oooch, nicht mal ein Döschen?) "Ich werde kein Bier bei Knappi trinken" (Mann, hab ich ´n Durst...) "Ich werde kein Bier bei Knappi trinken" (Dauert doch gar nicht lange) "Ich werde kein Bier bei Knappi trinken" (Wenn ich das weglasse, verlieren die immer...)

"Ein Bier bitte!"

"Gluck gluck gluck gluck RÜLPS!" später stand ich schon am Einlass rum, und ca. fünfzehn Minuten vor Anpfiff traf ich tatsächlich Günni, Hermann, Werner und Daniel unten im Block. Uff, geschafft.

In der Aufstellung durften wir erstmals Thiago Neves begrüssen, während Alex Silva zunächst nur die Bank blieb. Um es gleich vorweg zu nehmen: Neves trat nicht als der grosse Spielmacher auf. Was aber auch ganz logisch ist, es sei denn, man hält ´ne Fussballmannschaft für´n elf Teile Puzzle, bei dem alles sofort perfekt passt wenn man sie zusammengebastelt hat. Neves hatte ein paar ganz gute Aktionen, ein paar misslungene, und bot insgesamt einen ordentlichen (immerhin ein Assist), aber sicher steigerungsfähigen Einstand.

Das Spiel war klasse, wobei hier auch ein Dank an die Leverkusener geht, die sich bei ihrem Auswärtsaufttritt nicht lumpen liessen und eine offensiv sehr gute Vorstellung ablieferten. Zu Beginn für unsere Abwehr eine viel zu gute, denn schon nach wenigen Minuten stand es mal wieder 0:1. Eine völlig verdrehte Hereingabe eierte so schief durch den Strafraum, dass Rost keinen Plan hatte wie er das Ding nun in die Finger bekommen sollte, und deshalb ziemlich unglücklich aussah als er da hinterherlief. Dummerweise war dann auch noch Kiessling schneller, köpfte den Ball aus spitzem Winkel an die Latte und Barnetta musste dann nur noch einschieben. Unsere gesamte Abwehr sah dabei eher nach Hühnerhaufen als Mannschaft aus dem oberen Drittel der Bundesliga aus, und wir schüttelten mal wieder fassungslois den Kopf.

Man kann nun aber nicht sagen, dass sich unsere Jungs nicht anstrengten. Als es zum zweiten Mal in unserer Kiste klingelte hatten wir ein Eckenverhältnis von 6:0 herausgespielt, ohne dabei bis auf einen Kopfball von Neves allerdings für grossartige Torgefahr zu sorgen. Völlig auf die Eier ging mir ein Typ etwas weiter hinten, der Trocho nach einem misslungenen Eckstoss als "Dreckspolacke" bezeichnete. Irgendwelche Leute auf diesem Planeten haben anscheinend leider nocht begriffen, dass der Rest der Menschheit inzwischen aufrecht geht.

Danach ging ich dann erstmal pullern, und als ich mich gerade durch die Reihen zurück zu den Jungs kämpfte, düdelte Helmes plötzlich ganz allein auf unser Tor zu und überlupfte Rost zum 0.2.

Wisst ihr was: Ich mag unseren neuen Trainer. Endlich ist bei unseren Spielen wieder ordentlich was los. Ich hoffe nur, dass der gute Huub sich das nicht zuhause anguckt, sonst hat der sich wahrscheinlich nach den ersten vier Spielen schon das letzte Haar entsetzt vom Kopf gerupft. Wo bei Huub der Maurermeister herrschte, ist bei Jol eben noch das offene Scheunentor. Und wenn der Gegner sich sicher fühlt, schlägt unser Haufen dann zurück.

Den Schuss von Olic konnte der gute Adler (für mich immer noch die eigentliche Nummer 1 im Deutschen Tor) noch abwehren. Fünf Minuten später brachten uns Trocho (der mit der vergeigten Ecke zu Beginn) per Freistossflanke und Guerrero per Kopfball zehn Minuten vor der Pause zurück in´s Spiel. Und von da an ging richtig die Post ab.

Zunächst ging aber nur einer ab, und zwar ab vom Acker. Friedrich sah nach zwei etwas ruppigen Fouls Gelb-Rot. Kann man machen, muss man nicht unbedingt.

Und dann gingen sie alle in die Pause.

In der Halbzeit gab´s ein Torwand-Elfmeterschiessen für hohe Bankzinsen, ansonsten nichts besonderes. Zur zweiten Halbzeit brachte Bruno den mir bisher wenig bekannten Kadlec für den mir völlig nichtssagenden Djakpa. Wenn mich jetzt einer fragt, auf was für Positionen die beiden spielen, kann ich nur mit den Schultern zucken. Neue Saison - neue Gesichter.

Die Kombination Trocho - Paolo funktioniert wunderbar. Und wenn der Gegner nicht unbedingt Adler im Kasten hat steht´s schon nach drei Minuten der zweiten Halbzeit 2:2. So mussten wir noch drei Minuten länger auf den Ausgleich warten. Atouba (offensiv erstaunlich stark, wenn auch wieder mit einigen Harakiri-Aktionen vor der Abwehr) hat zu unserem Glück die Verhandlungen bei Newcastle ja geschwänzt, und kloppt statt für die Magpies noch Flanken für uns in des Gegners Strafraum. Und wie von mir in einem Forum prophezeit, ist Haggui in der Bayer-Abwehr immer für Torgefahr des Gegners gut. Der legte die Flanke nämlich mit dem Kopf ab zu Olic, der dann den Ball in die Maschen hauen konnte. Wieder ein 0:2 gedreht, diese Truppe ist wirklich komplett verrückt.

Wo ich gerade bei verrückt bin, muss ich hier noch schnell zwei Grüsse loswerden. Einen an Kumpel Martin, und dann noch einen an den Saufkopp im gestreifeten Hemd aus Eckernförde, der nach dem Motto "Bier ist gut für die Haare" seinen Becherinhalt beim Torjubel unfreiwillig auf unseren Rüben verteilte, nachdem er uns kurz vorher beim missglückten Wiener Walzer versehentlich angerempelt hatte.

Nach dem 2:2 gab es eine kurze Drangphase, bevor sich die Leverkusener Hintermannschaft wieder halbwegs sortiert hatte und die Gäste das Spiel ausgeglichener gestalten konnten. Jol nahm den anscheinend wenig davon begeistereten Olic für Petric raus, welcher kurz nach seiner Einwechslung schon für den Torschrei sorgte. Leider waren wir da einer optischen Täuschung auf den Leim gegangen, denn zu unserem Entsetzen kullerte der Ball nicht nur an Adler, sondern auch am langen Pfosten vorbei. Na so ´n Scheiss. Kurz danach war es dann aber soweit, dass er sein erstes Tor für uns erzielen konnte. Wie er den Ball nach Neves´ Hereingabe aus dem Wald voller Abwehrbeine noch in´s Tor spitzeln konnte ist mir zwar ein ziemliches Rätsel, aber ehrlich gesagt auch herzhaft wurscht. 3:2!

Danach gab es einen offenen Schlagabtausch, mit den besseren Chancen für den HSV. Trotzdem waren wir sehr erleichtert, als Schiedsrichter Fleischer dem Kick ein Ende setzte. Wieder zwei Jahre gealtert, aber lieber so, als ein ödes 1:0-Gebolze.

Nach der Feier mit der Mannschaft sammelten wir an Uwes Bronzefuss noch Norbert ein, und während die anderen mit sabbeln, pullern oder wat weis ich nicht beschäftigt waren, ging ich auf meine heilige Mission "Bier besorgen", natürlich bei Knappi.

Nachdem ich die anderen wieder eingefangen hatte, latschten wir zur S-Bahn. Und da dann erstmal gar nicht weiter, weil die Polente schon vor der ersten Unterführung ´ne Absperrung errichtet hatte. Unser Plan mit dem Zug um viertel vor Sieben nach Hause zu fahren löste sich also so langsam in Wohlgefallen auf. Als wir dann endlich ´nen Zug zum Hauptbahnhof erwischt hatten war irgendwie Werner verschwunden, aber den vermuteten wir hoffnungsvoll in einem anderen Waggon, was sich später als richtig herausstellen sollte. Viiiel später... denn für die Fahrt von der letzten Zwischenstation zum Hauptbahnhof brauchte die Karre mal eben 20 Minuten. "Lieber Fahrgäste, wegen eines Polizeieinsatzes verzögert sich unsere Fahrt zum Hauptbahnhof." Ähm, das kenn ich doch irgendwoher. Dabei muss wohl kaum gesagt werden, dass der Zug völlig überfüllt war, die Luft darin dementsprechend übel, und einige Spassgranaten es sich trotzdem nicht nehmen liessen, darin ´ne Pogo-Party zu veranstalten. Und weil die Kiste mitten im Tunnel stehengeblieben war, wurde die Luft durch das Öffnen der Fenster auch nicht wirklich besser.

Nun ja, irgendwann erreichten wir dann tatsächlich den Hauptbahhof, fanden Werner wieder... und verloren Norbert. Ich hab wirklich keinen Plan, wie das passieren konnte. Der war inner S-Bahn nämlich noch genau hinter uns im selben Waggon. Alle Versuche ihn per Handy zu erreichen gingen daneben, aber er wusste eigentlich ja, wann unser Zug zurück fahren sollte (haben inner S-Bahn schliesslich oft genug skeptisch auffe Uhr gelinst und die Minuten gezählt).

Tja, dummerweise wusste er aber anscheinend nicht, in welche Richtung unser Zug fahren sollte. Nachdem wir ein paar Bier besorgt und die Schienenkarre geentert hatten, war Norbert noch nicht gesichtet worden, als der Zug den Bahnhof verliess. Und hinter Dammtor passierte dann das Malheur: Günnis Telefon ging los. "Ja?... Wo bist´n du?... Hauptbahnhof?... Ach du Scheisse..."

Ab und zu hat man einfach Glück. So hatten mir die beiden Mädels von der Hinfahrt nämlich ihre Fahrkarte überlassen, weil sie die eh nicht mehr brauchen würden. Günni verliess uns deshalb in Pinneberg, und schepperte mit der S-Bahn zurück zum Hauptbahnhof um Norbert einzusammeln, während der Rest von uns weiter nach Neumüster kurvte. Dabei ging uns ein strunzbesoffener Heini ziemlich auf´n Keks, der der Meinung war er müsste wirklich alles und jeden lautstark ansabbeln, der sich in zwanzig Umkreis Meter um ihn befand.

Von Neumünster nach Hause war dann zum Glück ein bisschen Ruhe, und nachdem ich von meiner Nachbarin das 100-Jahre Gladbach-Jubiläums-Trikot (schönes Ding für 19 Euro, ebay lässt grüssen) abgeholt hatte, das mit der Post gekommen war, konnte ich mir in Ruhe die Sportschau auf Video anglotzen und mich anschliessend in die Koje hauen. Am nächsten Morgen klingelte ja um halb sechs schon wieder der Wecker.

Gruss
Dilbert
 
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