(on Tour) HSV - Hannover 96

Dilbert

Pils-Legende
18. Spieltag 2007 -2008

Mahlzeit!

Chrr... püüüh... chrr... püüüh... MEEEEP! Chrr... MEEEEEP!!! Püüüh... MEEEEEEEEEEEEEP!!!!!

Halt die Schnauze, Wecker, ich geh nicht zur Arbeit! MEEEEEEEP!!!!!!! Ruhe! MEEEEEEEEEEEP!!!!!!!!!!!!!!!! Arschloch... 5.15 Uhr, ich bin noch nicht einmal aufgestanden, und hab jetzt schon keine Lust auf den Frühdienst. Mangels irgendwelcher obskurer Schmerzen fand ich leider keinen auch nur annährend plausiblen Grund, da nicht hinzugehen (und hätte ich welche gehabt wär ich wohl trotzdem hingegangen, ich lass meine Kollegen halt nicht gern hängen).

Es gibt zum Rückrundenauftakt aber auch wirklich bessere Aussichten als einen Frühdienst im Seniorenheim und ein Heimspiel gegen Hannover. Das erste ist nach gammeligen dreieinhalb Stunden Schlaf ziemlich anstrengend, das zweite wahrscheinlich auch, da unsere Heimspiele gegen Hannover irgendwie immer an die Grottenkicks gegen Energie Cottbus erinnern. Zudem war natürlich für diesen Tag vom Wetterdienst Schneetreiben vorrausgesagt, was für die Tour über die Autobahn auch ziemlich beschwerliche Bedingungen bedeuten konnte.

Nach der Dusche fasste ich einen Entschluss: Auf der Arbeit Gas geben wie selten, dann der Schichtleitung schöne Augen machen und nach Möglichkeit den Zug um kurz vor eins erwischen, falls die Kollegin meinem Dackelblick nicht widerstehen kann und mich um halb eins abziehen lässt. Denn lieber vonner S-Bahn zum Stadion ein bisschen rennen, als die gute Kiste unfreiwillig im Graben oder im Auflieger eines LKWs zu parken.

Zitat Hannibal Smith (A-Team): "Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert."

Um 12.30 Uhr bekam ich von meinen Kollegen grünes Licht, schmiss mich in die Stadionklamotten, entrümpelte den Rucksack soweit wie nötig (die Selterflasche für die Auto-Anfahrt brauchte ich ja nicht mehr, hatte ja auch Bier mit), und machte mich dann auf die Socken zum Bahnhof. Hmm.. irgendwelche HSV-Fans anwesend? Nö... Zurück würde ich mit Günter und Daniel kommen, aber wie komm ich nu möglichst preigünstig hin? Ich machte mich gerade am Fahrkartenautomaten zu schaffen, um nach dem Preis für ´ne Einzelfahrt zu gucken, da wurde ich von ´nem Türken angesabbelt, der fragte, ob ich nach Hamburg wolle. Hmm... ich trage ein HSV-Trikot und einen HSV-Schal, schleppe einen Rucksack voller Bier und Schals mit mit rum, steh am Fahrkartenautomaten, und die haben ein Heimspiel. Wo soll ich da wohl hinwollen?

Sagt mal, gibt es sowas wie "professionelles Bahnfahren"? Der Türke hatte es nämlich ziemlich gut drauf, sein Wochenendticket mit fünf Leuten zu beladen und dann dafür Kohle einzusammeln. Ich hab mir das im Zug überlegt (als ich die ganzen Geldscheine in seinem Portemonaie sah). Wenn der immer zwischen Hamburg und Rendsburg pendelt, so dreimal am Tag, dann hat er ca zehn Stunden "Arbeitszeit" (das meiste davon im Zug rumsitzen), eine Eigeninvestition von 35 Euro, und wenn er pro Fahrt (also sechsmal) je 28 Euro an Kostenbeiteiligung reinbekommt, dann verdient der sich damit pro Tag mal eben 153 Euro netto, steuerfrei. So ´ne Aktion dreimal die Woche, und der hat mit 1900 Euro auffe Hand pro Monat ´n gutes Leben (und vier Tage pro Woche frei!). Vielleicht sollte ich den Job wechseln.

So, und nun sag nochmal einer, HSV-Fans wäre irgendwelche rechtsgerichteten, intoleranten Klumpnacken. Ein Abteil, drei HSVer, ein Türke und ein Punk, und kein Zoff in Sicht. Stattdessen wurde sich friedlich unterhalten und anner Bierpulle / -dose genuckelt. Ausserdem erwies es sich als gute Entscheidung, das Auto in Rendsburg zu lassen, da es hinter Neumünster ziemlich kräftig zu schneien begann.

Hamburg Dammtor, Treppab, Treppauf, S-Bahn, Stellingen... Hagel, Mahlzeit! Wegen der Schlange vor den Shuttlebussen entschied ich mich trotzdem für den Fussmarsch, wobei man an der Mission "Hackengas" von diversen Lahmärschen gehindert wurde, die in Sechserreihen über den gesamten Weg verteilt herumtrödelten.

Trotz dieser Schleicher schaffte ich es ziemlich gut in der Zeit zu bleiben. Mein Vorhaben: "Gehe in den Volkspark. begib dich direkt dort hin. Gehe nicht zum Imbiss. Ziehe keine Dose Holsten ein." Das Ergebnis: Ich geh jetzt zum Stadion, ich geh jetzt zum Stadion (schnupper.. Bratwurst), ich geh jetzt zum Stadion (schnupper... Frikadellen) ich geh jetzt zum... äääh.. Stadion (Currywurst)... ich geh jetzt (Bier...) zum Stadion... ach, scheiss drauf, sobald ich bei Knappi war. Dort wurde dann erstmal ein güldenes Döschen abgeholt und der Inhalt seiner heiligen Bestimmung (mach mir den zu erwartenden Gurkenkick erträglich...) zugeführt. Anschliessend ging es (jetzt durch Schnee) dann auch wirklich zum Stadion, wo ich nach dem Einlass erstmal Daniel anrief, damit mich doch bitte am Block einer abholen kommen möge. Als ich dann am Block war, war zwar keiner zu sehen, aber da es oben keine Kontrollen gab, machte ich mich auf dem Weg zu unseren Stammplätzen. Dort fand ich dann auch Daniel vor. "Wo iss´n Vaddi?"- "Äh, der ist dich abholen." Ups! Na gut also latschte ich wieder hoch um Günni zu suchen, den ich aber trotz fünfminütiger Suche nicht fand (dafür fand ich den Bierstand). Als ich wieder unten ankam war auch noch Daniel weg, dafür sichtete ich Günter. Ja, wie jetzt? Mit Daniels Ankunft (der war komischerweise auch am Bierstand gewesen) hatte das lustige Versteckspiel dann aber ein Ende, und man konnte sich den wichtigen Dingen des Lebens widmen: Prost!

Nachdem wir eine neue HSV-Hymne von Deichkind ertragen mussten, ging es so langsam in die alte Routine über. Lotto auf´m Kran, Mannschaftsaufstellung, "Hamburg meine Perle" gröhlen und auf den Anpfiff warten.

Schiedsrichter war Günter Perl, der mit dem hitzigen Kick seine liebe Not hatte, und dessen Leistung am Ende für einigen Diskussionstoff sorgte. Noch schlimmer aber als der Auftritt von Perl war das Spiel der Heimmannschaft, die es tatsächlich schaffte, sich in der ersten Halbzeit nicht eine Torchance herauszubolzen. Nichtmal als ich auf´m Klo war (und da passiert sonst immer was...). Die 96er machten es uns bis auf eine Sache vor: Die Chancenverwertung. Da konnten die Gäste super bis zum Strafraum um unsere schnarchnasige Abwehr herumspazieren, vor dem Tor hatten sie irgendwie nicht die Mittel, um den einzigen guten Hamburger der ersten Halbzeit zu überwinden: Frank Rost.

Na ja, wenn der Gegner seine Gelegenheiten nicht allein nutzen kann, dann muss man ihm wohl oder übel etwas helfen. Bei uns kam der (ungewünschte) "Samariter" in Gestalt von Guy Demel daher, der erst Schulz etwas unmotiviert an sich vorbeiziehen liess, um ihm dann den Gefallen zu tun, ihm in den Strafraum nachzutraben und mit der Eleganz eines defekten Kettenbaggers von hinten in die Füsse zu laufen. Schulz liess sich nicht zweimal bitten und fiel hin, was Perl zum Anlass nahm trällernd auf den Elfmeterpunkt zu zeigen. Und auch, wenn es ausser mir wirklich keiner im Block wahrhaben wollte: Ja, das war ein klarer Elfmeter, da konnten Günter und Daniel mir noch so viele Vorträge über das deutsche Schwalbentum und den dringend benötigten Blindenhund für Perl halten.

Letzterer tat und fünf Minuten nach dem von Huszti (Gesundheit!) verwandelten Elfer zumindest den Gefallen, diese wohl mieseste erste Heimspielhälfte der laufenden Saison zu beenden.

In der Halbzeit wechselte Huub zum allgemeinen Erstaunen den zugegebenermassen völlig wirkungslosen Jarolim aus und brachte Reinhardt. Das bedeutete einmal mehr Kopfballstärke, und ausserdem das Vorrücken von Kompany ins Mittelfeld.

Die zweite Halbzeit konnte eigentlich nur besser werden, dachte man jedenfalls. Aber erstmal ging alles so weiter wie bisher, ehe Huub die Nase voll hatte (die 96er hätten kurz zuvor fast das 0:2 erzielt, aber der Typ mit dem Erkältungsgeräusch als Namen traf nur den Pfosten, was uns einmal kräftig durchpusten liess) und (für mich viel zu spät) mit Guerrero endlich einen richtigen zweiten Stürmer brachte, nachdem van der Vaart vorn schlichtweg verschenkt und Olic als einziger richtiger Angreifer eher aufgeschmissen war. Nun kam endlich mehr Dampf inne Parade, und Enke wurde doch mal darüber informiert, wie denn eigentlich der Spielball aussieht. Dusseligerweise war auch der Dampfmacher zunächst ein wenig der Honk des Tages, weil er zweimal einen frei stehenden Mitspieler übersah.

Nach einer Doppelchance von 96 (wenn wir den Rost nicht hätten...) gab es dann Konterfussball bei Rückstand im eigenen Stadion. Weiter Abschlag, etwas schusseliger Vinicius, guter Guerrero, besserer van der Vaart, noch besserer Enke, fröhlicher Olic, 1:1. Uiuiuiuiuiuiuiui... das war trotz der Steigerung in der zweiten Hälfte doch mit Dusel verbunden.

Unterdessen durften sich die Hannoveraner Bankangestellten von uns ein paar Nettigkeiten der Sorte "Auswechselspieler, ihr seid nur Auswechselspieler...!" anhören, und ein Typ hinter uns offenbarte der Nordkurve seine sexuellen Vorlieben für Damen um die 50. Jedenfalls erzählte er sämtlichen in der Nähe befindlichen Hannoveraner Kickern lautstark etwas über ein Verhältnis mit ihrer Mutter...

Mal ehrlich, was einige Leute da von sich geben, ist nur noch arm.

Abgesehen von der Einwechslung von Benny Lauth wollte auf dem Rasen vorerst nicht mehr viel passieren, das die Gemüter erregen konnte, bis ca. zwei Minuten vor Schluss. Da geriet Pinto in einen Zweikampf mit de Jong, was zu dummdreisten Tretereien beider Beteiligten führte. Allerdings hatten Perl und sein Gespann nur den im liegen ausgeführten Kick von Pinto gegen de Jong gesehen, und deshalb durfte auch nur einer von beiden vorzeitig duschen und sich in den nächsten Wochen auf der Tribüne Gedanken über Begriffe wie "Disziplin" und "unsportliches Verhalten" machen. Obwohl unsere Jungs sich nochmal bemühten aus der zahlenmässigen Überlegenheit Kapital zu schlagen, blieb es am Ende bei einem für uns fast schmeichelhaften 1:1. Die erste Halbzeit war wirklich grottig genug für drei schlechte Spiele. So schiesst uns Leverkusen ab.

Da es nach dem mässigen Kick nichts grossartiges zu feiern gab, machten Günni, Daniel und ich uns auf den Rückweg, was für mich einen Halt bei meinem Lieblingsimbiss bedeutete, um Treibstoff in Dosen für den Weg zur S-Bahn zu besorgen. Bei Knappi gratulierte ich zwei Hannoveranern zur guten Leistung ihres Teams, was die zurückgaben. Die müssen ein anderes Spiel gesehen, oder die erste Halbzeit mit Durchfall auf´m Klo gesehen haben.

In Stellingen erwischten wir die "Rotlicht"-S-Bahn, die den Umweg quer durch die komplette Amüsiermeile nimmt, weshalb wir da wie die Konservenwürste fast ´ne halbe Stunde drin rumstehen mussten. Am Hauptbahnhof hiess es erstmal Pils und Futter besorgen, und dann rein in den Zug nach Rendsburg. Da drin landeten wir wirklich im allerallerhintersten Fahrradabteil, wovon die Schaffneuse und die pummelige Tante mit dem Mitropa-Karren wenig begeistert waren, da auch ein paar völlig dichtgesoffene Nübbler ab und zu bei uns zum fröhlichen "Prost"-sagen vorbeiguckten, wobei die auch mal das eine oder andere geöffnete Büchsenbrötchen auf dem Boden verteilten. Ansonsten verlief die Rückfahrt friedlich ab, auch weil meine Rundlichkeit sich des Dienstes besann, der am nächsten Morgen um halb sieben wieder beginnen sollte, und deshalb Günters Vorschlag noch ein bis zwölf Bierchen inner Kneipe zu trinken dankend ablehnte.

Gruss
Dilbert
 
Oben