Mein erstes Mal in Afrika

huelin

Quite clear, no doubt, somehow
So, inzwischen bin ich halbwegs wieder fit und möchte euch ein wenig von unserer Fahrt nach Marokko berichten.

Zunächst einmal: es war für mich nicht nur meine erste Reise nach Afrika und meine erste Reise in ein islamisches Land, sondern auch meine erste organisierte Gruppenreise überhaupt. Zum Glück waren die Teilnehmer fast alle sehr nett und interessant, mit einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Jung und Alt, einer ziemlich internationalen Zusammensetzung und einem großartigen marokkanischen Reiseführer. Trotzdem werd ich wohl so schnell keine Gruppenreise mehr machen, denn es ist mir einfach zu mühsam und langwierig, ständig auf 50 bis 60 Leute mit all ihren Sonderwünschen warten zu müssen...

Es sollte also um 15 Uhr im Zentrum von Málaga losgehen, und ich ging davon aus, dass wir für die 140 km nach Algeciras etwa zwei Stunden brauchen würden. Leider verspätete sich der Bus schon bei der Abfahrt und fuhr dann auch noch über die Dörfer, um einzelne Teilnehmer aufzunehmen, so dass wir erst im letzten Moment die 18-Uhr-Fähre erreichten. Gut dass es sich dabei um ein Schnellboot handelte, das nach etwas über einer Stunde schon in Afrika war. Aber was heißt Afrika – erst mal waren wir immer noch in Spanien, nämlich in der Enklave Ceuta, einer von Portugiesen gegründeten alten Festungsstadt.

Und nun begann gleich der mühsamste Teil der gesamten Reise, nämlich die Warterei an der Grenze. Ich hatte eigentlich gedacht, bei der Einreise nach Marokko geht es schneller als bei der Einreise nach Spanien, aber vor uns standen mehrere Reisebusse im Stau, und da es Freitag nachmittag war, vergingen gut 3 Stunden, bis die marokkanischen Zöllner alle Pässe kontrolliert hatten. So konnten wir das chaotische Treiben der vielen arabischen Händler, die die Grenze voll beladen zu Fuß überquerten, ausführlich beobachten, und auch schon mal die anderen Reiseteilnehmer näher kennenlernen.

Als wir endlich durchgelassen wurden, war es bereits sehr spät, und meine ersten Eindrücke beschränkten sich auf den Verkehr, die Häuser am Straßenrand und die Menschen, die man dort sehen konnte. Dabei kamen bei mir sofort Erinnerungen an meine Reisen nach Lateinamerika auf: alles ziemlich chaotisch, zum Teil ärmlich, und es waren überwiegend junge Menschen zu sehen. Es war aber eine durchaus angenehme Erinnerung, die meinen Adrenalinspiegel hochschnellen ließ. Immerhin war ich ja auch schon fast 20 Jahre nicht mehr in der soganannten "Dritten Welt" gewesen!

Die 40 km nach Tétouan (ewta 400.000 Einwohner) wurden dann aber schnell zurückgelegt, und unser Hotel war für den Preis wirklich gut, dezent im arabischen Stil gehalten. Und noch eine Episode sorgte bei mir für ein ungewohntes Freiheitsgefühl: nach dem Aussteigen aus dem Bus zündete ich mir natürlich erst mal eine Zigarette an, und als ich den Hotelangestellten am Eingang fragend anschaute, beschied er mir sofort, dass ich drinnen selbstverständlich weiterrauchen könne – was ich dann an den riesigen tönernen Aschenbechern bestätigt fand, die überall herumstanden.

Das typisch marokkanische Abendessen war dann hervorragend, und auch unser Zimmer war erfreulich geräumig und sehr sauber, wenn auch etwas laut, denn wir hatten Pech und bekamen eines mit Blick auf die Straße und nicht aufs Meer. Egal, wir schliefen trotzdem sehr gut, was auch nötig war, denn wir wurden früh geweckt. Nach einem eher einfachen Frühstück ging es dann durch Viertel mit relativ modernen, wenn auch etwas abgewetzten Häusern, zur Medina, der Alstadt, mit ihren Tausenden von verwinkelten Gassen und Bögen, in deren Mittelpunkt der Markt stand. Viele Waren wurden dort auf dem Boden ausgebreitet, die Hühner lebten alle noch, und der Duft der angebotenen Gewürze mischte sich mit allerlei weniger angenehmen Gerüchen...

Trotzdem ein einmaliges Erlebnis, bei dem unsere beiden Führer zum Glück penibel darauf achteten, dass wir auch alle zusammenblieben. Negativ fand ich, dass man keine einzige unverschleierte Marokkanerin zu sehen bekam, und dass sofort einige fliegende Händler wie die Kletten an uns klebten, und uns teilweise stundenlang bedrängten, ihnen ihren Ramsch abzukaufen. Gefährlich empfand ich es dennoch zu keiner Zeit, worin schon mal ein gewaltiger Unterschied zu Lateinamerika bestand. Zumal in der ganzen Stadt viel Uniformierte unterwegs waren, denn der König hatte seinen Besuch angekündigt, so dass auch an allen Ecken gleich bündelweise riesige Landesfahnen aufgestellt waren.

Nach einem üppigen Couscous in einem traditionellen Restaurant mit arabischer Livemusik (was mir etwas zu viel Folklore war) ging es dann nach Westen ins 60 km entfernte Tanger, das knapp eine Million Einwohner und auch viel Industrie hat. Zunächst fuhren wir durch sehr grüne Villenviertel hinauf zu einem Aussichtsplatz mit Café, von wo aus man den Atlantik und das Mittelmeer überblicken konnte, und später ging es ins geschäftige Zentrum der Stadt, wo sich unser diesmal wenig attraktives Hotel befand, in dem auch das Abendessen und der Service nicht gerade optimal waren.

Egal, der Spaziergang durch die Stadt machte vieles wieder wett, denn ich liebe einfach dieses Chaos, das mich ein wenig an Marseille erinnerte. Der Verkehr ist allerdings noch weitaus chaotischer, die Überquerung eines Zebrastreifens ein Abenteuer, und selbst bei grüner Fußgängerampel (die meist nur auf einer Seite des Übergangs steht!) muss man höllisch aufpassen. Zwar saßen auch hier in den Cafés nur Männer, aneinandergereiht und alle mit Blick auf die Straße, aber man sah schon häufiger mal unverschleierte Frauen, die zum Teil sehr hübsch waren. Mit einer von ihnen kamen wir sogar ins Gespräch, und sie erzählte uns, dass es im modernen Teil der Stadt auch Kneipen gebe, in denen junge Frauen verkehrten.

Nach einer eher unruhigen Nacht, in der weder der Verkehr noch das ständige Hupen wesentlich nachließen, stand dann der 100 km lange, ziemlich kurvenreiche Trip in die 50.000-Einwohner-Stadt Chefachaouen, auch Chaouen genannt, auf dem Programm. Die gebirgige Landschaft erinnerte sehr an Andalusien, und da es die Woche vorher geregnet hatte, war es überall recht grün. Was mir ebenfalls auf der ganzen Reise auffiel, waren die zahlreichen Kräne und Neubauten, die man bei uns seit 2008 ja kaum noch sieht. Das Land ist eindeutig im Aufbruch, der Tourismus boomt, und auch die Armut hält sich doch ziemlich in Grenzen. Das geht soweit, dass einige Marokkaner sogar schon eine Immobilienblase mit den bekannten Folgen wie hier in Spanien befürchten.

Der erste Eindruck von Chefchaouen war dann überwältigend. Die Stadt erstreckt sich am Berghang, und die meisten Häuser sind in verschiedenen Blautönen getüncht, was für eine ganz besondere Atmosphäre sorgt. Zunächst war es dazu auch sehr ruhig, was sich allerdings mit der Zeit änderte, denn die Stadt ist das Ziel zahlreicher marokkanischer Touristen, und da gerade die Frühlingsferien begonnen hatten, wurde es später doch sehr eng und beschwerlich. Zudem war unser lokaler Führer ganz allein und hatte große Mühe, uns zusammenzuhalten, so dass sich einige Leute aus der Gruppe sogar verliefen, und mit großem Aufwand wieder gesucht werden mussten.

Schließlich ging aber doch alles gut, und nach dem erneut hervorragenden Mittagessen machten wir uns dann auch schon wieder auf die Rückfahrt. Diesmal mussten wir an der Grenze zum Glück nur eine knappe halbe Stunde warten, und auch der Rest der Rückfahrt verlief überwiegend reibungslos. Trotzdem dauerte es bis 11 Uhr, als wir schließlich ziemlich ausgepumpt an unserem Ausgangspunkt in Málaga ankamen, von wo aus wir per Taxi wieder nach Hause fuhren.

Kurzum: die Fahrt hat sich sicherlich gelohnt und Lust auf weitere Fahrten nach Marokko gemacht. Das Land kam mir sehr sicher vor, die Landstraßen sind in gutem Zustand, und die Menschen überwiegend höflich und sehr freundlich, wenngleich man gerade in den traditionellen Gebieten die Frauen kaum lächeln oder gar lachen sieht. Meine Frau und mein Sohn waren aber ebenfalls begeistert von der Fahrt, so dass ich jedem mit gutem Gewissen eine Reise in dieses interessante Land empfehlen kann, von dem ich ja nur einen kleinen Einblick bekam, denn die Mitte und der Süden – mit dem Atlasgebirge, den schönen Atlantikstränden, den alten Königsstädten wie Marrakesch oder der Wüste – hat sicherlich noch einiges mehr zu bieten.
 
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T

theog

Guest
(...)nach dem Aussteigen aus dem Bus zündete ich mir natürlich erst mal eine Zigarette an, und als ich den Hotelangestellten am Eingang fragend anschaute, beschied er mir sofort, dass ich drinnen selbstverständlich weiterrauchen könne – was ich dann an den riesigen tönernen Aschenbechern bestätigt fand, die überall herumstanden.


Ein Traumland...:herz:
 

HoratioTroche

Zuwanderer
Schön, ich könnte ähnlich viel schreiben über mein "erstes Mal" letztes Jahr auf Madagaskar. Dagegen war Ägypten letzte Woche reisetechnisch und kulturell eher unspektakulär, aber da ging es uns auch "nur" um die Unterwasserwelt im Roten Meer, und die wiederum ist eine Klasse für sich.
 

Pumpkin

Heimatlos und viel zu Hause
Toller Bericht!
Sitz grad am Handy, da ist es ein wenig mühselig, werde aber die Tage mal von meinem Marokkourlaub - vor allem Marrakesch - berichten! Das war wahrlich ein Traum!
 

Oldschool

Spielgestalter
Moderator
Die Mühe die du dir beim Verfassen des Reiseberichtes gemacht hast ist aller Ehren wert. :danke: dafür und ich kann mir denken, dass die Tour stressig aber erlebnisreich war. Zuerst glaubte ich, du selbst hättest die Reise organisiert, aber dann las ich heraus, dass du an ihr teilgenommen hast. Einige Zielorte habe ich gegoogelt, weil ich sie noch nie gehört hatte, zB dieses Tétouan, das mit 400.00 Ew doch sehr gross ist und eigentlich kenne ich dem Namen nach sehr viele Grossstädte, diese Stadt nicht. Ceuta natürlich auch nicht, so wusste ich nicht, dass es spanisches Hoheitsgebiet in Marokko gibt, eine Exklave also, oder eben Enklave aus Sicht von Marokko.
Ich habe deinen Reisebericht mit Interesse gelesen, du könntest sowas auch professionell machen, gemessen an dem wo du überall schon gewesen bist. :)
 
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