Klasse Bericht über Borussia inkl. kurzem Rückblick!

André

Admin
2006.04.13
Zwischen den Extremen

Aus der Gladbacher Borussia wird in der laufenden Saison kaum jemand schlau. Mal drohte der Absturz in die Tiefen der Tabelle, mal drang die Mannschaft von Horst Köppel in den Kreis der UEFA-Cup-Kandidaten ein. Ein Rätsel bleibt das so verschiedene Heim- und Auswärtsgesicht.
Wohl kein Bundesliga-Klub ist derart tief eingebunden in ein Netz von Traditionen, Emotionen und Illusionen, Träumen, Hoffnungen und Enttäuschungen, Erwartungen und Ansprüchen wie Borussia Mönchengladbach.

Die Mannschaft vom Niederrhein, für diesmal unser vorletzter Gegner in der BayArena, kann sich – weit über ihre Heimatregion hinaus – einer gewaltigen Fan-Gemeinde sicher sein. Die neue Arena an der Hennes-Weisweiler-Allee 1 im Borussia-Park ist mit über 53000 Besuchern meistens ausverkauft. Ein solcher Block im Rücken erzeugt enormen Schwung, aber auch Druck.

Ein wichtiges Saison-Ziel, in den Herzen mancher Fans sogar das wichtigste, haben die früher liebevoll „Fohlen“ gerufenen Borussen längst erreicht. Sie haben zum wiederholten Mal den alten rheinischen Konkurrenten Köln abgehängt, obwohl die „Geißböcke“ im September letzten Jahres ausgerechnet gegen die Gladbacher mit 2:1 ihren zweiten und bis vergangenen Samstag letzten Heimsieg feiern konnten.

"Dem Bock die Hörner langgezogen"


Welches Ausmaß diese Rivalität erreicht, davon kündet die Antwort des Maskottchens „Jünter“ im „Kicker“-Fragebogen auf die Frage nach dem ersten großen Fußballerlebnis: „Pokalfinale 1973, als ich beim 2:1 in Düsseldorf dem Bock die Hörner langgezogen habe.“

Horst Köppel, der Trainer, hat naturgemäß wichtigeres im Blick und im Sinn. Nach dem 2:1-Heimerfolg vor 14 Tagen über die Namensvettern aus Dortmund atmete der 57-Jährige, der als Nachfolger des Niederländers Dick Advocaat vor Jahr und Tat mit seinem vollauf gelungenen Rettungsprogramm Kultstatus erreichte, tief durch: „Heute können wir zum ersten Mal sagen, dass wir mit unten nichts mehr zu tun haben. Alles, was jetzt kommt, ist eine schöne Zugabe.“

Mithin alles im grünen Bereich? Könnte man denken, dem ist aber nicht so. Zwar traten die Gladbacher im vorigen Sommer mit der Maßgabe an den Start, um jeden Preis eine weitere Crash- und Chaos-Saison wie die eben überlebte zu vermeiden, doch in dieser Gegend der Fußball-Republik liegen erfahrungsgemäß leidvolle Erfahrungen und große Töne dicht beieinander.

"Fohlen-Flüsterer“

Zwar vergeigte das weitgehend runderneuerte Team den Auftakt in München mit 0:3, und die folgenden Auftritte verhießen auch wenig Gutes, aber mit dem rauschhaften 2:1-Erfolg auf heimischem Hof gegen Werder Bremen ging’s bergauf.

Als Köppels Jungs im folgenden Match mit dem 2:0 in Bielefeld auch noch eine schwarze Serie von 22 Auswärtsbegegnungen ohne Sieg stoppten, war das Fuß(ball)volk am Niederrhein obenauf. Der Express präsentierte den Trainer als „Fohlen-Flüsterer“ und wunderte sich: „Vor zwei Wochen stand er kurz vor dem Rauswurf, nach drei Siegen feiern ihn Borussias Fans.“

So oder so ähnlich stellt sich die Situation auch heute dar. Der einstige Abstiegskandidat tut sich immer noch schwer, für dieses Spieljahr seine genaue Position zu definieren und zu behaupten. Welch ein Unterschied zwischen Heim- und Auswärtsgesicht. „Köppels Mannschaft spielt von Woche zu Woche mit der Konstanz eines Zufallsgenerators“ hieß es zuletzt mit einer schönen Formulierung in der Süddeutschen Zeitung.

Stadion am Bökelberg abgerissen

Die jüngste 0:2-Schlappe in Hamburg bestätigte die Unstabilität erneut. Wer ständig zwischen den extremen Möglichkeiten schwankt, in den Rotlichtbezirk der Tabelle abstürzen oder auf einen UEFA-Cup-Platz springen zu können, braucht gute Nerven. Zumal wenn Teile der Medien dauernd auf Höchsttouren drehen, und Teile des Publikums, derart animiert, sportliche Rückschläge nur schwer verkraften.

„Wir haben nie vom UEFA-Cup gesprochen“, schimpfte der entnervte Köppel jüngst und drohte gar mit Rücktritt. Tags darauf revidierte er: „Ich kann durchaus behaupten, dass ich insgesamt erfolgreich arbeite. Ich werde einen Teufel tun und nun zurücktreten. Ich lasse mich nicht zermürben. Mein Ziel ist es, den Vertrag zu erfüllen.“ Das wäre noch eine Saison.

Die Drehzahl des Wandels im Profifußball des 21. Jahrhunderts lässt sich recht gut an den Verhältnissen in Gladbach ablesen. Vor einigen Monaten legte schweres Räumgerät den steingewordenen Mythos der Borussia-Vergangenheit flach. Bagger rissen das Stadion am Bökelberg ab. Hier hatten Netzer, Heynckes und Vogts Fußball zelebriert.

Große Konkurrenz im Kader


Im Dezember verabschiedete sich Giovane Elber aus Mönchengladbach, der Ballzauberer aus Brasilien, der ein Jahr lang so sehr auf ein Comeback gehofft hatte. Vorher hatte schon ein sehr bedrückter Christian Ziege seinen Spind geräumt. Sein vom Hochleistungssport gezeichneter Körper versagte die Gefolgschaft. Der sensible Tscheche Marek Heinz, 2004 für 2,3 Millionen Euro geholt, war da schon längst wieder weg.

Das Spieler-Mosaik zeigt in diesem Frühjahr ein kunterbuntes Gesicht, vereint Profis aus vieler Herren Länder. Vom hoch veranlagten Borussia-Eigengewächs Marcell Jansen, das sich noch berechtigte WM-Hoffnungen machen darf, bis hin zum US-Nationaltorwart Kasey Keller (36), der in Spanien und England aktiv war, bevor er bei MG anheuerte.

Die Konkurrenz im Kader ist riesengroß. Neben Bo Svensson vom FC Kopenhagen kam in der Winterpause von Hertha BSC der deutsche U 21-Nationalspieler Nando Rafael, der gegen den BVB erstmals in der Anfangsformation aufgeboten war und beide Tore erzielte. Der Däne Kasper Bögelund erfreute natürlich die eigenen Fans, aber auch die ARD-Fußballfreunde mit einem sehr sehenswerten „Tor des Monats“.

Glas halbvoll oder halbleer?

Im Fokus des Interesses steht seit Wochen vor allem der den Bayer-Sympathisanten noch gut bekannte Stürmer Oliver Neuville, der zuletzt durch seinen Treffer gegen den Spezi Keller im Länderspiel gegen die USA weitere Punkte für einen Job bei Klinsmann gesammelt hat. Der stets sehr zurückhaltend auftretende „Olli“ blüht geradezu wieder auf, zumal er mittlerweile im Borussen-Trikot seinen Idealplatz in vorderster Linie wiedergefunden hat.

Borussia ist auf dem besten Wege, seine stärkste Saison seit Wiederaufstieg abzuliefern. So ist das Glas halbvoll. Es ist halbleer, wenn dem Trainer ständig vorgerechnet wird, wo sein Team Punkte hat liegen lassen und welche Chancen nicht wahrgenommen wurden. „Das ist nicht lustig“, sagt Horst Köppel, „wenn du ständig in Frage gestellt wirst.“

Wie gesagt, reine Nervensache.

http://www.bayer04.de/de/index2.htm

Die besten Berichte über sich, liest man beim Gegner! Der Artikel liest sich sehr gut! :top:
 
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