Dilbert on Tour: HSV - Hoffenheim

Dilbert

Pils-Legende
Uff... ist lange her, dass ich mal in die Tasten gehauen habe. Außerdem brummt mir der Schädel... mal gucken, was noch geht.

Das war jetzt mein dritter Stadionbesuch in dieser Saison, aber mit Sicherheit der emotionalste. Warum? Weil es nur auf Stehplätzen wirklich fetzt.

Aber erstmal musste man ja hinkommen. Nach einer unruhigen Nacht war ich warum auch immer schon um fünf Uhr wach, also noch sechseinhalb Stunden bis zum Abmarsch zum Bahnhof. Gute Gelegenheit mal seine Bude aufzuräumen... oder es zu lassen, was ich gemacht habe. Stattdessen vertrieb ich mir die Zeit mit dem Internet und der amüsanten Wrestling-Seite "Genickbruch.com", die ich Freunden des gepflegten Showkampf-Irrsinns hier mal ans Herz legen möchte. Die Zusammenstellung der miesesten Wrestling-Gimmicks ist wirklich spaßig, unglaublich was einige Promoter ihren Schützlingen da so zugemutet haben.

So verging die Zeit ziemlich schnell, und nach Dusche, Frühstück aus selbstgemachten Hot-Dogs (muss gesund sein, sind ja Gurken drauf) und dem packen des Rucksacks ging es um kurz nach halb zwölf ab zum Bahnhof. Auf dem hatten sich schon diverse mehr oder weniger zuversichtliche Fans eingefunden, aber erstmal musste man ja ´ne Fahrkarte kriegen. Was gar nicht so einfach war, weil irgendwelche Mädels der Meinung waren, dass man den Automaten ruhig minutenlang mit irgendwelchem Gekicher belagern darf, ob da noch sechs Leute anstehen oder nicht.

So, Karte her, Bahnsteig, Zug, Abfahrt. Die Hinfahrt verlief fast ereignislos, sieht man davon ab dass die Mühle einmal ziemlich hart in die Eisen ging was die Insassen (gerade die Kloschlange) ein wenig durcheinanderwürfelte. Danach kam die Durchsage "Sehr verehrte Fahrgäste, wegen eines Streckendefekts mussten wir eine Zwangsbremsung durchführen, wir hoffen dass ihre Getränke alle noch auf ihrem Platz stehen."

In Hamburg angekommen bog ich gleich in Richtung S-Bahn ab, weil für die Gondel am Spieltag ja gilt "Je früher, desto leerer". Das stimmte auch diesmal wieder, es war zwar voll, aber kein Sardinenfeeling. Danach ging es zu... genau, Knappi. Den Kult-Imbiss gibt es ja zum Glück immer noch, und immer noch trifft man da die Nasen aus dem legendären Manchester-Bus von 2009. Und immer noch gibt es da Holsten aus der Dose. Die Stimmung war gut, trotz der schwierigen Aufgabe Hoffenheim vor der Nase. Ich weiß nicht genau was Gisdol da nach dem 10. Spieltag gemacht hat, aber es funktioniert. Die Mannschaft glaubt wieder an sich, und die Fans glauben wieder an die Mannschaft. Ich wäre sehr gern noch länger in der lustigen Runde geblieben, aber ich musste ja noch mit Reinhardt telefonieren, damit mich einer auf meinen Stammplatz im 23A schmuggeln kann, und das geht über eine Stunde vor dem Spiel eben noch einfacher als wenn das Ding nachher rappelvoll ist. Nachdem das mit der Stehplatzkarte geklärt war.. da war doch noch was... Ach ja, pullern und Bier.

Mein letztes Stehplatzspiel war nun fast ein Jahr her, und verdammt, was hab ich das Gefühl vermisst da bei den ganzen Bekloppten rumzuhängen, "Hamburg meine Perle" zu singen, überteuertes Bier zu trinken usw.. Wie die Zeit vergeht sieht man allerdings auch. Zum Beispiel an Haralds Sohn Niko. Ich erinner mich noch daran dass der teilweise auf dem Wellenbrechen sitzen musste um überhaupt was zu sehen, jetzt ist er größer als sein Dad.

Ich werde alt.

Gut, zwei Bier später fing dann das Spiel an. Da war allerdings erstmal nicht gerade viel los, wie zu erwarten war ging es erstmal mit viel Kampf zur Sache. Die ganzen großen spielerischen Momente sind auch unter Gisdol nicht gerade das Ding des HSV, aber das erwartet ja auch keiner. Wenn ich vergleiche wie leblos der Haufen zu Saisonbeginn meist aufgetreten ist (ich habe diese Truppe wirklich für das gehasst was die da an Fußballverbrechen und absoluter Arbeitsverweigerung abgeliefert hat), dann mag man kaum glauben wie sie jetzt spielt. Und man fragt sich auch wie verraten und verkauft von dieser Mannschaft sich Bruno jetzt fühlen muss.

Wisst ihr, was echt nervt (und nicht nur mich, sondern wirklich alle die um mich rumstanden): Großfahnen-Dauerschwenker in der untersten Reihe. Unterstützung für die Mannschaft ist gut und schön, aber man will ja auch etwas vom Spiel sehen. Nach gut 15 Minuten sah ich mich genötigt das den Typen da unten dann auch mal mitzuteilen, also quälte ich mich da durch die Massen runter. "Ääh, entschuldige mal, du gehst mit deiner Fahne allen von Reihe 5 bis 50 voll auf den Sack." - "Mir doch egal." Jo, vielen Dank für das Gespräch, du guckst ja unter deinem Lappen auch durch. Uns wurde jedenfalls das 1:0 von dem Heini verwedelt. Die Bierdusche nach dem Hunt-Freistoß, hinter dem Baumann nur etwas dusselig herguckte weil er sich wohl verschätzt hat, fiel dadurch aber nicht geringer aus.

Leider hielt die Freude nicht gerade lange, weil Ostrzolek (allein schon beim schreiben dieses Buchstabensalats breche ich mir fast die Finger) sich im Strafraum etwas dämlich anstellte und Kramaric den fälligen Elfmeter trotz des obligatirischen Pfeifkonzerts der Nordtribüne für Mathenia zu platziert in die Maschen dübelte. Dass der sich danach noch provokant mit den Händen an den Ohren da hintellte, musste irgendwie nicht sein. Das fand auch Schiedsrichter Zwayer und gab ihm Gelb. Ansonsten war die Aktion aber irgendwo auch wirklich lächerlich... stellt euch mal vor einer trifft, und keinen im Stadion scheint es zu freuen. Den spärlichen Anhang der Hoffenheimer konnte man auf der Nordtribüne jedenfalls kaum vernehmen, die Hoppis bekamen ja nichtmal den kleinen Gäste-Stehblock voll. Echt toll gegen solche schnarchigen Witztruppen anzutreten.

Halbzeit, 1:1, annnehmbares Spiel gegen Hoffenheimer, die irgendwie nicht gut damit zurechtkamen nach den eher spielerisch agierenden Bayern jetzt die Hamburger Grasfresser vorgesetzt bekommen zu haben.

Die zweite Halbzeit war dann wirklich zäh. Die Hoffenheimer machten zwar nicht viel nach vorn, hielten aber den Laden hinten dicht. So quälten sich die Hamburger durch die Minuten auf der Suche nach der Lücke. Eine viertel Stunde vor Schluß sagte ich gerade zu Reinhardt "Mist, da ist etwas die Luft raus", als Wood die Lücke fand, auf Baumann zulief und letzteren verlud, indem er zu Hunt querschob. Der musste das Ei dann nur noch ins leere Tor murmeln. Bierdusche, die zweite.

So, jetzt noch fast 20 Minuten (inklusive Nachspielzeit) zittern, schreien, nervös auf den Fingern rumkauen usw.. Die Hoffenheimer machten jetzt verständlicherweise Dampf, mehr als einmal versaubeutelte denen aber Papadopoulus die Parade. Dummerweise fing er sich aber auch die fünfte Gelbe ein und wird nun ausgerechnet beim Abstiegsknaller und Nordderby schlechthin nächste Woche in Bremen fehlen. Kurz vor Schluß trafen die Kraichgauer dann auch noch den Pfosten (wieder 200 weiße Haare mehr) und schossen den Abpraller dann so knapp am Tor vorbei, dass ich ehrlich gesagt schon "Scheiße!" schreien wollte weil ich das Ding im Tor gesehen habe, bis mir mir dann aber auffiel dass die gar nicht jubelten. Puuuuh...

Umso mehr flog natürlich nach dem Abpfiff die Kuh über den Tresen, wer darauf nach den Ergebnissen unter der Woche gewettet hatte, machte bestimmt keine schlechte Quote.

Und: Verdammte Scheiße, ich bin wieder angefixt. Ich muss für die nächste Saison wieder ´ne Dauerkarte haben. Auf dem Weg aus dem Stadion bekam ich dann noch mit dass Wolfsburg, Leverkusen und Mainz verloren hatten, was die drei Punkte für den HSV nochmal vergoldete. Zudem hatten sich meine Borussen bei den Geißböcken für die Derbypleite im Hinspiel revanchiert und damit weiter von der Gefahrenzone abgesetzt (vor einer Woche waren es nur vier Punkte zum Relegationsplatz, jetzt sind es 10 und man hängt einen Punkt hinter Europa, diese Saison ist echt verrückt...). Besser hätte der Fußballsamstag kaum laufen können.

Nach dem obligatorischen Bierstopp bei Knappi sah ich zu dass ich zur S-Bahn kam, schließlich musste ja der Edeka im Hauptbahnhof noch um ein paar Dosen erleichtert und ein paar Euro bereichert werden. Danach fand ich im Zug ein gemütliches Ecken... jedenfalls blieb es gemütlich bis sich der wohl nervigste Fahrgast des ganzen Zugs zu mir setzte. Der Typ konnte keine zwei Sekunden die Klappe halten, ließ seine "Behinderung" voll raushängen und schnorrte sich von allen die vorbeikamen das Dosenpfand zusammen ("He, Deine leeren Dosen krieg ich aber!"). Zudem ließ er sich noch schön bedienen, als ein Typ kam und ihn fragte ob er sich da hinsetzen dürfte wo sein Rucksack lag meinte er, den dürfe er ruhig hochlegen, er selbst könne das aber nicht weil er ja behindert sei. Komisch... als er zwei Dosen bekam war es plötzlich kein Problem das Ding da oben runterzuholen, die Büchsen einzupacken und dann wieder auf die Gepäckablage zu legen. Als ich es dann auch noch wagte ihm nur eine leere Dose zu geben, und den Rest meines Leerguts doch glatt selbst zu behalten, musste ich mir auch noch das Wort "geizig" anhören, also irgendwann reicht es echt. Das teilte ich dem dann auch mit, auch weil ich sein blödes Gesabbel einfach nicht mehr hören konnte. Ich hätte ja gern noch mehr gesagt, nämlich dass der da nur ´ne beschissene Show abzieht damit die Leute ihm ihr Geld in den Rachen schmeißen, aber das hab ich dann gelassen. Ich wollte mir diesen ansonsten schönen Tag nicht mir einer sinnlosen Streiterei versauen.

Um kurz nach 20.00 Uhr war ich den Nervkopp dann los und sprang aus dem Zug. Irgendwie fühlte ich mich komisch... hmm... seit fast zehn Stunden nichts mehr gefuttert, ordentlich Bier gehabt... HUNGER!

Und so beschließe ich diesen Tourbericht mit einem Hoch auf den besten Dönerladen der Stadt, der zum Glück nur 300 Meter von meiner Bude weg ist. Rülps!
 
Zuletzt bearbeitet:
Hui Dilbert, das ist aber ein toller Bericht. Das ist ja, als wäre man live dabei gewesen!

Du solltest über eine Journalismus Karriere nachdenken :p
 
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