Die Fohlen galoppieren wieder

André

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Fußball/Bundesliga: Die Fohlen galoppieren wieder

Borussia Mönchengladbach ist die Mannschaft der Stunde in der Bundesliga. Alle warnen vor Euphorie - und träumen insgeheim doch vom Europapokal.

Mönchengladbach. "Erfolg zu haben, ist das Einzige, was zählt in dem Geschäft, und wenn auch noch der Spaß hinzu kommt..." Borussia Mönchengladbachs Torschütze Peer Kluge übermittelt nach dem 4:1-Sieg gegen Kaiserslautern glückstrahlend die Stimmungslage im Gladbacher Team, "wir können im Augenblick einfach nicht genug kriegen vom Fußball". Und Cheftrainer Horst Köppel sagt der Liga quasi indirekt den Kampf an: "Wir können es noch besser."

Viel Zeit, die Freuden des Lebens auszukosten und die Festtage im Oktober zu genießen, bleibt den Gladbacher Borussen diesmal nicht, denn bereits am Dienstag geht die Reise zum DFB-Pokalspiel (2. Runde) am Mittwoch im Berliner Olympiastadion - und anschließend wartet die Namenscousine Borussia Dortmund auf den Tabellenfünften der Fußball-Bundesliga. "Danach haben wir zwei Heimspiele gegen Hamburg und Leverkusen. Zwei richtig dicke Brocken", sagt Köppel (57).

Wo steht Borussia Mönchengladbach dann? Köppel macht sich Gedanken über den Höhenflug seiner Elf und stellt Vergleiche an mit anderen Mannschaften. Gladbach die "Mannschaft der Stunde" nach vier Siegen und einem Remis am Stück. Gladbach mit Spaßfußball und auf Augenhöhe mit Schalke. "Nein, so weit sind wir noch nicht", sinniert Köppel, "auch Hamburg und Leverkusen sind spielerisch reifer, stabiler, einfach weiter. Aber in Dortmund am Samstag, da möchte ich schon was holen. Das ist in etwa unser Niveau, denke ich."

Köppel hütet sich davor, auch nur den leisesten Anschein zu erwecken, Borussia Mönchengladbach wäre ein potenzieller Kandidat für einen Platz auf der internationalen Bühne. "Wir genießen den Moment, denn ich weiß, wie schnell die Stimmung umschlägt. Ich sehe die Motzkis schon vor mir, wenn wir mal wieder zweimal hintereinander verlieren." Im übrigen, so der Gladbacher Coach, sei der Sieg gegen den FCK um ein, zwei Tore zu hoch ausgefallen ("Das dürfen wir nicht vergessen") - und letztlich habe ihn auch nur das Ergebnis zufrieden gestellt.

Borussia Mönchengladbach spielte bei "Fritz-Walter-Wetter" sicher nicht so glanzvoll auf wie in Stuttgart, aber die Trefferquote imponierte gegen die harmlosen Lauterer. Die Gastgeber spielten sehr ökonomisch und verwerteten ihre Chancen nahezu optimal, derweil die "Roten Teufel" einfach nur gefällig agierten. Es ist die Beständigkeit, die bei Borussia Mönchengladbach eingekehrt ist und auch Fehler verzeiht. Die Abwehr wirkt sicher, und der Spielaufbau ist durchaus ansehnlich. Vorne ist Oliver Neuville noch Alleinunterhalter.

Auffällig: Der Norweger El Fakiri entwickelt sich im Verbund im Peer Kluge immer mehr zu einem zuverlässigen Partner im VfL-Gefüge. "Wir haben eine Linie, sind inzwischen eingespielt und stehen kompakt. Jeder kennt die Laufwege des anderen", sagt Kluge, "wir sind ein echtes Team geworden."

Wenn sich - was alle sieben Pfingsten vorkommt - dann auch noch ein Abwehrspieler wie Jeff Strasser unter die Torschützen mischt, dann ist Borussia noch einiges zuzutrauen.

Doch Strasser gehört auch zu den Typen, die immer wieder vehement auf die Bremse treten: "Wer hier glaubt, euphorisch werden zu müssen, den hole ich persönlich runter. Es geht hier um konzentrierte Arbeit. Tag für Tag, bis zum 34. Spieltag."

Die Minuten ausgelassenster Freude im Borussia Park nach dem Abpfiff lässt sich allerdings auch der luxemburgische Nationalspieler in diesen triumphalen Wochen nicht nehmen. Die "Humba-Tätärä"-Tänzchen mit der Nordkurve oder die ausgedehnte "La-Ola" mit dem Rest des Publikums - wehe, wenn sie losgelassen.

Keeper Kasey Keller, nahezu beschäftigungslos an diesem Tag, garnierte das stimmungsvolle Nachspiel noch mit einer köstlichen Einlage: Er balgte sich auf dem nassen Rasen übermütig mit Jünter. Jünter ist das Maskottchen der niederrheinischen Borussia. Ein überdimensionales Fohlen. Erinnerungen an Günter Netzer und die Blütezeit der Gladbacher Borussen. Zeit für Träumereien...

Westdeutsche Zeitung online
 
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