Ich glaub ihr wisst alle gar nicht, was Bürokratie ist. Die spanische gehört jedenfalls zu den schlimmsten in Europa, vor allerm wegen ihrer unendlichen Langsamkeit, wie ich mehrfach schmerzlich erfahren musste – mit folgendem „Highlight“:
Es war im Jahre 1998, ich war gerade frisch nach Málaga gezogen, und wollte mich für die Prüfung zum vereidigten Übersetzer bewerben. Ich ging also zu der Zweigstelle des dafür zuständigen Madrider Bildungsministeriums und erkundigte mich, wie das geht und was die Voraussetzungen dafür sind. Man sagte mir, ich müsste nur das Bewerbungsformular ausfüllen, und als Voraussetzung reicht u.a. ein abgeschlossenes Hochschulstudium.
Also schickte ich das ausgefüllte Formular mit meiner Studienabschlussbescheinigung nach Madrid und wartete der Dinge, die da nun kommen sollten. Es kam aber erst mal nichts, einen Monat, zwei Monate... ein halbes Jahr... bis der Prüfungstermin für das betreffende Jahr war längst verstrichen war...
Ich rief also nochmal bei der Zweigstelle an, und mir wurde beschieden, das könne halt eine Zeitlang dauern. Schließlich verging ein Jahr – längst waren schon die Bewerbungen für die neuen Prüfungen raus – aber aus Madrid kam immer noch keine Nachricht.
Knapp anderthalb Jahre nach Einreichung meines Formulars erhielt ich dann endlich Post vom Ministerium: eine kurze Mitteilung, dass man mich ablehne – ganz ohne Begründung. Ich war geschockt und suchte sofort wieder die bekannte Zweigstelle auf, wo man mir schließlich mitteilte, die Studienabschlussbescheinigung alleine reiche eben nicht aus, ich müsse auch alle Scheine meiner Seminare an der Uni vorlegen! Auf meine Frage, warum man mir dies nicht gleich gesagt habe, zuckte der Beamte nur mit den Schultern.
Nun war es gar nicht so leicht, an meine ganzen Studienunterlagen zu kommen, denn mein Staatsexamen war ja schon über zwanzig Jahre her. Da ich in dem Sommer aber eh vorhatte, Münster zu besuchen, konnte ich die Scheine schließlich nach viel Überzeugungsarbeit und längerer Wartezeit vor Ort besorgen.
In Málaga zurückgekommen, schickte ich die Unterlagen also frohen Mutes mit dem neuen Bewerbungsformular wieder nach Madrid – in der Hoffnung, dass sie diesmal weniger brauchen würden, schließlich war es ja nur ein fehlendes Detail.
Aber ihr ahnt es schon, es verging ein weiteres Jahr, bis man mir endlich erneut antwortete – und zwar mit dem gleichen Wortlaut wie ein Jahr zuvor: Ablehnung ohne Begründung.
Daher beschloss ich nun, mich direkt an das Ministerium zu wenden – was sich jedoch als äußerst schwierig erwies. Telefonieren half nichts, denn die Leitungen waren entweder besetzt, oder es ging keiner ran. Damals wusste ich noch nicht, dass man spanische Behörden telefonisch praktisch niemals erreicht. E-Mail war erst recht keine Alternative, da keine Möglichkeit auf Rückmeldung besteht. Also blieb mir nur eines übrig: nach Madrid zu fahren.
Zum Glück wohnte damals eine Cousine meiner Frau in der Hauptstadt, bei der ich übernachten konnte, und die sogar ganz gerne abends rausgeht. Kaum angekommen, suchte ich also schnurstracks das Ministerium auf. Dort gab es eine Art Rezeption, an der man mir sofort kategorisch klarmachte, dass ich nicht einfach da antanzen könne, um mit jemandem zu sprechen. Dafür müsse ich ein Formular ausfüllen, und man werde mir dann einen Termin geben. Immerhin konnte ich das Formular direkt vor Ort abgeben und hoffte, dass es nicht allzu lange dauern würde mit dem Termin.
Ok, es dauerte etwa 6 Wochen, aber dann bekam ich tatsächlich eine E-Mail (!) vom Ministerium mit dem Termin und dem Namen der zuständigen Sachbearbeiterin. Ich fuhr also an dem betreffenden Tag nochmal die 5 Stunden nach Madrid, und betrat voller Hoffnung das Ministeriumsgebäude.
Die Sachbearbeiterin war dort sogar bekannt, aber leider zu der vereinbarten Zeit nicht anwesend. Langsam war ich der Verzweiflung nahe, denn keiner konnte mir was Näheres dazu sagen, und so musste ich irgendwo im Gang auf sie warten. Über eine Stunde später – welch Wunder – erschien die Frau dann doch, mit wichtigtuerischer Miene und einem Aktenbündel unter dem Arm. Ich merkte sofort, sie beachsichtigte, mich vor Ort (also im Gang) mit wenigen Worten abzuspeisen und möglichst bald wieder loszuwerden.
Doch nun machte ich richtig Terz, erzählte ihr, wie lange ich nun schon auf diese Informationen gewartet hatte, so dass sie sich schließlich erweichte und mir die Sache erklärte. Für die Zulassung von EU-Ausländern zu der Prüfung würde man in Spanien die ausländischen Studieninhalte mit den Inhalten des entsprechenden Studiengangs in Spanien vergleichen, und dabei müsse ein gewisser Prozentsatz erfüllt werden.
Da ich aber zwei Fächer studiert hatte (ist in Deutschland für Lehramt üblich, in Spanien jedoch nicht), waren weder die Inhalte meines Germanistik- noch die meines Geographiestudiums für den jeweiligen Vergleich ausreichend, denn schließlich hatte ich ja nur halb soviel Zeit für das einzelne Fach wie jemand, der nur ein Fach studiert. Mir bliebe also nur übrig, an einer Uni Übersetzung zu studieren und mich mit diesem Abschluss nochmal für die Prüfung zu bewerben. Die nächste Möglichkeit dafür besteht allerdings im 150 km entfernten Granada – und ich musste ja „nebenbei“ auch noch arbeiten...
Kurzum: ich bin bis heute kein vereidigter Übersetzer. Einerseits schade, denn die verdienen recht viel pro Wort. Andererseits können sie aber auch haftbar gemacht werden – im Gegensatz zu nicht vereidigten Übersetzern – und dazu kommt: juristische Übersetzungen gehören eh nicht zu meinen Lieblingstätigkeiten, sie sind in der Regel langweilig, und die einzelnen Wörter haben oft zahlreiche verschiedene Bedeutungen...
Immerhin: dabei war es nicht um Lebenswichtiges gegangen, aber die Gesundheitsverwaltung arbeitet genauso langsam, und in Spanien kann man als Kassenpatient nicht einfach in irgendeine Arztpraxis gehen, sondern man muss zum Gesundheitszentrum seines Bezirks. Bis man da ein Röntgenbild oder gar eine Magnetresonanz „verschrieben“ bekommt, können Monate vergehen – und erst recht, bis man den Termin beim Facharzt bekommt, der die Untersuchung auswertet...