Coronavirus: Abschaetzung der Letalitaet

Detti04

The Count
(Vorab: Ich glaube, dass man ein eigenes Unterforum fuer Beitraege zum Thema Coronavirus braeuchte, denn das wird uns sicher noch laenger beschaeftigen.)

In diesem Beitrag werde ich versuchen, die Letalitaet des Coronavirus abzuschaetzen. Zum einen interessiert mich das schlichterdings, zum anderen gibt es ja keine wirklich offiziellen Schaetzungen, sondern nur teils stark differierende und womoeglich veraltete Meinungen. Ich werde schrittweise erklaeren, wie ich dabei vorgehe.

Die Grundlage meiner Ueberlegungen bilden dabei die Zahlen aus Suedkorea, und zwar aus zwei Gruenden:
1. Suedkorea ist das Land, das vergleichsweise am meisten testet. Die Dunkelziffer an nicht erkannten Infizierten sollte daher relativ klein sein (dazu aber gleich mehr).
2. Suedkoreas Gesundheitssystem kommt mit dem Ausbruch meinem Verstandnis nach bisher gut zurecht. Daher sollte Suedkorea bisher davon verschont geblieben sein, dass die Letalitaet durch ein kollabierendes Gesundheitssystem kuenstlich erhoeht wird.

Fangen wir also mit den entscheidenden Zahlen von heute an:
9976 insgesamt Infizierte
5828 Geheilte
169 Todesfaelle

Da ich aber ohnehin nur abschaetzen will, kann ich mir das Leben auch einfacher machen und gerundete Werte verwenden:
10.000 insgesamt Infizierte
6.000 Geheilte
170 Todesfaelle

Und jetzt fang ich dann an zu rechnen:

Schritt 1: Abschaetzen der Dunkelziffer an Infizierten


Obwohl in Suedkorea viel getestet wird, wird auch dort natuerlich nicht blind getestet; stattdessen testet man erst einmal diejenigen, von denen man glaubt, dass sie infiziert sein koennten. Soll heissen: Mal angenommen, Suedkorea fuehre taeglich 10.000 Tests durch und faende dabei 200 Infizierte. Wuerde man statt der 10.000 Tests nun 20.000 Tests taeglich durchfuehren, dann resultierte das eben nicht in 400 positiven Tests, sondern in irgendwas zwischen 200 und 400 positiven Tests, denn bei den zusaetzlich getesteten 10.000 Kandidaten ist ein positiver Test ja unwahrscheinlicher als bei den ersten 10.000 Kandidaten. Ich nehme jetzt mal an - so ziemlich aus der hohlen Hand - dass die Zahlen dabei jeweils auf 1/3 fallen, soll heissen:

- Die ersten (=wahrscheinlichsten) 10.000 Tests ergeben 200 positive Faelle (=1 * 200)
- Die zweiten (=zweitwahrscheinlichsten) 10.000 Tests ergeben 66 positive Faelle (=1/3 * 200)
- Die dritten (=drittwahrscheinlichsten) 10.000 Tests ergeben 22 positive Faelle (= (1/3)^2 * 200)
- etc. ad infinitum

Wir haben es hier also mit einer Summe ueber eine uendliche Reihe zu tun. Um genau zu sein, muss ich die Summe ueber die ganzen Vorfaktoren bilden, d.h. die Summe ueber alle Terme (1/3)^n, wobei n von 0 bis unendlich laeuft. Zum Glueck ist das eine geometrische Reihe, die tatsaechlich brav gegen einen endlichen Grenzwert konvergiert, naemlich gegen

1/(1-1/3) = 3/2 = 1,5.

Fuer unser Beispiel hiesse das also: Taeglich gaebe es neben den 200 erkannten Faellen 100 unerkannte Faelle. In anderen Worten: Die Dunkelziffer betruege 50% der bekannten Faelle. Das hiesse also konkret fuer Suedkorea: Neben den 10.000 bekannten Infizierten gaebe es eine Dunkelziffer von 5.000 unbekannten Infizierten.

(Da dieser Beitrag schon recht lang ist, geht es mit Schritt 2 in einem zweiten Beitrag weiter.)
 
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Detti04

The Count
Schritt 2: Abschaetzen der Todesfaelle

Um die Letalitaet zu berechnen, darf man aber nicht einfach die aktuelle Zahl der Todesfaelle durch die Zahl aller Infizierten teilen, denn ein Teil der Infizierten hat noch gar kein Resultat, da bei 3.830 erkannten Infizierten die Erkrankung ja noch andauert. Daher muss man noch abschaetzen, wieviele der aktuell noch Erkrankten letztendlich sterben werden.

Bildet man das Verhaeltnis der bisherigen Todesfaelle zu allen abgeschlossenen Faellen (170/(170+6000) = 2,76%), dann ueberschaetzt man aber aller Wahrscheinlichkeit nach, wieviele weiter Todesfaelle zu ewarten sind. Das liegt daran, dass bei Covid-19 die Heilung recht lange dauert, soll heissen: Die Heilung scheint mindestens zwei Wochen zu dauern, aber sterben kann man wohl schon nach wenigen Tagen. In anderen Worten: Von Leuten, die sich vor zwei Wochen infiziert haben, ist vermutlich noch niemand geheilt, aber vermutlich schon mancher vestorben. Aus diesem Grund ueberschaetzt das Verhaeltnis der bisherigen Todesfaellezu den bisherigen Geheilten also das Verhaeltnis Todesfaelle/(abgeschlossene Faelle) - insbesondere dann, wenn ich die Zahl der Todesfaelle im Rest unserer Kohorte der 10.000 bekannten Faelle abschaetzten will. Daher schaetze ich - wieder ziemlich aus der hohlen Hand - dass das Verhaeltnis Todesfaelle/(abgeschlossene Faelle) im Rest unserer Kohorte halb so hoch ist wie bei den bisherigen Faellen, d.h. bei 1,38% liegt.

Das wuerde also bedeuten, dass die 3.830 aktuell Erkrankten zu (3830 * 0,0138) = 53 weiteren Todesfaellen fuehren.


Schritt 3: Abschaetzen der Letalitaetsrate

Die Letalitaetsrate laesst sich jetzt recht einfach berechnen, denn diese ist natuerlich nichts anderes als die Zahl aller Todesfaelle durch die Zahl aller Infizierten. Das heisst hier:

Zahl aller Todesfaelle: 170 schon eingetreten + 53 weitere erwartet
Zahl aller Infizierten: 10.000 bekannte Infizierte + 5.000 unbekannte Infizierte

Damit kommen wir auf eine Letalitaet von

(223 Todesfaelle) / (15.000 Infizierte) = 1,49%.

(Fuer die Interpretation dieser Zahl und moegliche andere Szenarien erstelle ich einen dritten Beitrag.)
 
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Detti04

The Count
Erst zu Interpretation: Meine Interpretation ist schlichtweg, dass die Letalitaet von Covid-19 bei etwa 1,5% liegt, selbst in einem funktionierenden Gesundheitssystem. Das ist eine wirklich hohe Letalitaetsrate, in etwa wie die der spanischen Grippe, und um eine Groessenordnung hoeher als die einer normalen Grippe. Dazu kommt, dass anders als bei einer normalen Grippe niemand gegen Covid-19 immun ist. In einem kollabierenden Gesundheitssystem wird die Letalitaet sogar noch (weit) hoeher liegen - wie hoch, ist schwer zu sagen. Vielleicht doppelt so hoch?

Zu anderen Szenarien:

- Wenn man annimmt, dass ich die Dunkelziffer in Suedkorea unterschaetzt habe und die Dunkelziffer genauso gross ist wie die Zahl der bekannten Faelle, dann landet man bei einer Letalitaet von (223 Todesfaelle) / (20.000 Infizierte) = 1,1%. Auch dann liegt man also ueber dem, was z.B. Christian Drosten noch Anfang Maerz erwartete und was ich schon damals fuer zu niedrig hielt.
("[...] Zugleich verwies der Virologe Christian Drosten von der Charité in Berlin darauf, dass es sich bei Covid-19 um eine milde Erkrankung handle, ähnlich einer Erkältung. Die Sterblichkeitsrate sei nach allem, was bislang bekannt sei, gering. 0,3 bis 0,7 Prozent der Infizierten sterben demnach an dem Virus. [...]"
Coronavirus

- Um auf eine Letalitaet von etwa 0,5% zu kommen, muesste die Dunkelziffer selbst in Suedkorea dreimal so hoch sein wie die Zahl der bekannten Infizierten Faelle. Das scheint mir sehr unwahrscheinlich, wenn in Suedkorea bei etwa 10.000 Tests pro Tag inzwischen nur noch 100 positiv sind.
 
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Detti04

The Count
Ist das, was Du auszurechenen versuchst, nicht die Letalitätsrate (case fatility rate)? Und nicht die Mortalitätsrate (mortality rate)?

Und dann gibt es ja auch noch die Infizierten, die keine Fälle (case) sind (=symptomlos). Die also auch nie getestet werden.

https://www.thelancet.com/action/showPdf?pii=S1473-3099(20)30243-7

Grundsaetzlich hast Du da wohl recht. Aber Christian Drosten (bzw. der Journalist, der ihn wiedergibt) verwendet den Begriff Sterblichkeitsrate in dem zitierten Artikel ja genaus0, d.h. auf die Gesamtzahl der Infizierten bezogen, nicht auf die Gesamtzahl der Population.

Nach der korrekten Definition koennte man die Mortalitaet erst dann angeben, wenn der Ausbruch beendet ist, und sie waere auch von Land zu Land unterschiedlich. In einem Land, in welchem niemand an Covid-19 stirbt, laege die Mortalitaet von Covid-19 also bei 0, waehrend sie in einem anderen Land, in welchem sich 50% der Bevoelkerung infizieren und 2% der Infizierten sterben, bei 1% laege. Damit waere die Mortalitaet ein ziemliches nutzloses Kriterium zur Beschreibung einer Krankheit.

---

Okay, ich versuche jetzt mal, in allen bisherigen Beitraegen Mortalitaet durch Letalitaet zu erstezen. Dann ist die ganze Chose vermutlich tatsaechlich richtiger.
 

Detti04

The Count
[...]
Und dann gibt es ja auch noch die Infizierten, die keine Fälle (case) sind (=symptomlos). Die also auch nie getestet werden. [...]
Das stimmt nicht, denn es werden ja nicht nur Leute mit Symptomen getestet. Es werden die getestet, bei denen Verdacht auf eine Erkrankung besteht; dazu gehoeren neben Menschen mit Symptomen aber auch solche Leute, die engen Kontakt mit einem bekannten Infizierten hatten. Daher findet man so auch symptomlos Infizierte. Mal abgesehen davon, dass aus vielen symptomlos Infizierten spaeter Infizierte mit Symptomen werden.
 
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Rupert

Friends call me Loretta
Deine Modellrechnung will ich jetzt nicht groß kommentieren, weil ich die zugrunde liegenden Annahmen nicht bewerten kann.

Zu den Tests frage ich mich was ganz anderes: Wäre es nicht mal sinnvoll in den nächsten Wochen repräsentative Stichprobentests in der Bevölkerung durchzuführen? So könnte man besser erkennen wie es mit der Infektionslage ausschaut und was das für die Dunkelziffer bedeutet.
 

Holgy

Kommischer Foggel
Moderator
Grundsaetzlich hast Du da wohl recht. Aber Christian Drosten (bzw. der Journalist, der ihn wiedergibt) verwendet den Begriff Sterblichkeitsrate in dem zitierten Artikel ja genaus0, d.h. auf die Gesamtzahl der Infizierten bezogen, nicht auf die Gesamtzahl der Population.

Nach der korrekten Definition koennte man die Mortalitaet erst dann angeben, wenn der Ausbruch beendet ist, und sie waere auch von Land zu Land unterschiedlich. In einem Land, in welchem niemand an Covid-19 stirbt, laege die Mortalitaet von Covid-19 also bei 0, waehrend sie in einem anderen Land, in welchem sich 50% der Bevoelkerung infizieren und 2% der Infizierten sterben, bei 1% laege. Damit waere die Mortalitaet ein ziemliches nutzloses Kriterium zur Beschreibung einer Krankheit.

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Okay, ich versuche jetzt mal, in allen bisherigen Beitraegen Mortalitaet durch Letalitaet zu erstezen. Dann ist die ganze Chose vermutlich tatsaechlich richtiger.

Zu Droste und seiner Zahl: Achtung! Die Anzahl der Infizierten ist nicht gleich der Anzahl der Fälle. Das wäre dann weder die Mortalitätsrate noch die Letatlitätsrate, sondern die infection fatality ratio. Die ist geringer weil die Infizierten ohne Symptome zwar Infizierte aber keine Fälle (cases) sind. Oder andersrum: es gibt mehr Infizierte als Fälle (=Erkrankte).

Die Raten beziehen sich immer auf einen bestimmten vorher definierten Zeitraum, daher muss man nicht bis zum Ende der Pandemie warten, sondern man schätzt die Zahlen jeweils für den gewählten Zeitraum (z. B. 14 Tage) bestmöglich anhand der empirischen Daten und schätzt/errechnet daraufhin die Raten.
 

Holgy

Kommischer Foggel
Moderator
Deine Modellrechnung will ich jetzt nicht groß kommentieren, weil ich die zugrunde liegenden Annahmen nicht bewerten kann.

Zu den Tests frage ich mich was ganz anderes: Wäre es nicht mal sinnvoll in den nächsten Wochen repräsentative Stichprobentests in der Bevölkerung durchzuführen?

Oh ja, dann hätte man schon mal die "Durchseuchungsrate". Das wäre schon gut zu wissen, gerade für Entscheidung, ob und wann man die "Isolations-Maßnahmen" wieder zurückfahren kann.
 

Detti04

The Count
Deine Modellrechnung will ich jetzt nicht groß kommentieren, weil ich die zugrunde liegenden Annahmen nicht bewerten kann.

Zu den Tests frage ich mich was ganz anderes: Wäre es nicht mal sinnvoll in den nächsten Wochen repräsentative Stichprobentests in der Bevölkerung durchzuführen? So könnte man besser erkennen wie es mit der Infektionslage ausschaut und was das für die Dunkelziffer bedeutet.
Nein, die Aussagekraft solcher Tests waere vermutlich relativ gering, weil sich bis jetzt ja kaum jemand infiziert hat, bezogen auf die Gesamtbevoelkerung. Dadurch wird die Varianz vergleichsweise gross.

In Zahlen: Aktuell hat Deutschland 80.000 bekannte Infizierte bei einer Population von 80 Mio, d.h. einer von 1000 Buergern ist als infiziert bekannt. Angenommen, man fuehrt nun einen Test mit einer Stichprobe von 10.000 Leuten durch um zu herauszufinden, ob es eine Dunkelziffer gibt. Gibt es keine Dunkelziffer, so erwartet man 10 positive Tests. Das Ziel dieses statistischen Tests ist nun, die Null-Hypothese "Es gibt keine Dunkelziffer, d.h. pro 10.000 Tests sind nicht mehr als 10 positiv" zu verwerfen. Um das statistisch signifikant zu tun, muessten mindestens 15 positive Tests gefunden werden. Soll heissen: Selbst bei 14 positiven Tests, d.h. bei einer Zahl, die auf den ersten Blick so aussieht, als gaebe es eine Dunkelziffer von 40%, ist die Annahme, dass es gar keine Dunkelziffer gibt, immer noch nicht verworfen.

Daran kann man erkennen, dass man eine sehr grosse Stichprobe braeuchte, um zu erkennen, ob es eine Dunkelziffer gibt, wenn diese relativ klein ist. Relativ klein meint hier "kleiner als die Zahl der bekannten Faelle".
 

Detti04

The Count
Zu Droste und seiner Zahl: Achtung! Die Anzahl der Infizierten ist nicht gleich der Anzahl der Fälle. Das wäre dann weder die Mortalitätsrate noch die Letatlitätsrate, sondern die infection fatality ratio. Die ist geringer weil die Infizierten ohne Symptome zwar Infizierte aber keine Fälle (cases) sind. Oder andersrum: es gibt mehr Infizierte als Fälle (=Erkrankte).

Die Raten beziehen sich immer auf einen bestimmten vorher definierten Zeitraum, daher muss man nicht bis zum Ende der Pandemie warten, sondern man schätzt die Zahlen jeweils für den gewählten Zeitraum (z. B. 14 Tage) bestmöglich anhand der empirischen Daten und schätzt/errechnet daraufhin die Raten.
Bei meiner Berechnung sind alle Infizierten mit drin, nicht nur die Faelle, denn ich schaetze ja extra die Dunkelziffer ab. Dazu kommt, dass ich alle Todesfaelle in meiner Kohorte beruecksichtige, d.h. ich brauche mich um kein Zeitfenster zu kuemmern. (Mit dem Zeitfenster behilft man sich ja nur deshalb, weil man nicht weiss, wieviele Faelle, die im Zeitfenster neu auftreten, toedlich enden werden. Man behilft sich dann dadurch, dass man diese Zahl durch die Faelle, die im selben Zeitfenster toedlich enden, substituiert.)

Die Letalitaet ist das Verhaeltnis der Verstorbenen zur Zahl der insgesamt Infizierten, und das ist genau das, was ich berechnet habe.
 
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Holgy

Kommischer Foggel
Moderator
Bei meiner Berechnung sind alle Infizierten mit drin, nicht nur die Faelle, denn ich schaetze ja extra die Dunkelziffer ab. Dazu kommt, dass ich alle Todesfaelle in meiner Kohorte beruecksichtige, d.h. ich brauche mich um kein Zeitfenster zu kuemmern. (Mit dem Zeitfenster behilft man sich ja nur deshalb, weil man nicht weiss, wieviele Faelle, die im Zeitfenster neu auftreten, toedlich enden werden. Man behilft sich dann dadurch, dass man diese Zahl durch die Faelle, die im selben Zeitfenster toedlich enden, substituiert.)

Die Letalitaet ist das Verhaeltnis der Verstorbenen zur Zahl der insgesamt Erkrankten, und das ist genau das, was ich berechnet habe.

Aber Droste vielleicht nicht, wenn er tatsächlich das Verhältnis von Toten und Infizierten meint und nicht von Toten und Erkrankten. Denn Infizierte sind ungleich Erkrankte und entsprechend unterschiedlich sind die Schätzer.

Es kann natürlich auch immer sein, dass er sich in solchen nichtwissenschaftlichen Kontexten etwas unpräsiser ausdrückt oder falls es von anderen wiedergegeben wird, das was unrichtig wird.

Und meinst Du in Deiner Schätzung der "Dunkelziffer" die Erkrankten oder die Infizierten?
 

Detti04

The Count
[...]
Und meinst Du in Deiner Schätzung der "Dunkelziffer" die Erkrankten oder die Infizierten?
Gemeldet werden von den Staaten ja die Infizierten, d.h. alle Traeger des Virus, und zusaetzlich diejenigen, die trotz negativem oder nicht vorgenommenen Test als Covid-erkrankt diagnostiziert werden. Die Dunkelziffer meint dann die Dunkelziffer, basierend auf denselben Kriterien.
 

Holgy

Kommischer Foggel
Moderator
Streng genommen dürfte man die Infizierten ohne Symptome nicht zur Schätzung der case fatality rate einschließen.

Die Frage ist auch ob und seit wann auch Symptomlose getestet wurden/werden. Sind nicht alle Kontaktpersonen von Erkrankten (oder getesteten?) zunächste einfach in Heimquarantäne gesteckt worden ohne jeden zu testen? Sondern erst, wenn bei diesen Symptome auftraten?

Ein anderes Problem sind die symptomatischen Fälle ohne Test. Die gibt es ja auch - und deren Zahl wird besondern bei den leichten Verläufen hoch sein (im Vergleich zu den schweren Verläufen, da viel eher ärztlicher Hilfe benötigen). Wer sich allein zu hause auskuriert geht nicht in die Statistik ein.

Aber trotz aller Unwägbarkeiten, was das alles betrifft, kommt Deine Schätzung ja gut hin und deckt sich ziemlich mit der aus dem Lancet Artikel. https://www.thelancet.com/action/showPdf?pii=S1473-3099(20)30243-7
 

Detti04

The Count
Man beachte, dass der Autor eine Fallsterberate von 1,5% annimmt - also genau die Zahl, auf die ich ebenfalls gekommen bin, sofern sich seine Zahl auf alle Infizierten bezieht, nicht nur die Erkrankten. Wenn er die Zahl auf Basis der suedkoreanischen Faelle ermittelt hat, dann tut er das, denn Suedkorea testet auch symptomlose Personen, wenn diese in engem Kontakt mit Infizierten standen.

Wenn man von einer Letalitaet von 1,5% ausgeht, dann kann man aber eigentlich nicht erwarten, dass in China bei 3300 Todesfaellen mehr als 220.000 Menschen infizert waren. Ich wuerde sogar auf weniger als 200,000 Infizierte tippen, weil China vermulich zeitweise wegen des lokalen Zusaemmenbruchs des Gesundheitssystems eine erhoehte Sterblichkeitsrate erfahren hat.
 

Holgy

Kommischer Foggel
Moderator
Man beachte, dass der Autor eine Fallsterberate von 1,5% annimmt - also genau die Zahl, auf die ich ebenfalls gekommen bin, sofern sich seine Zahl auf alle Infizierten bezieht, nicht nur die Erkrankten. Wenn er die Zahl auf Basis der suedkoreanischen Faelle ermittelt hat, dann tut er das, denn Suedkorea testet auch symptomlose Personen, wenn diese in engem Kontakt mit Infizierten standen.

Wenn man von einer Letalitaet von 1,5% ausgeht, dann kann man aber eigentlich nicht erwarten, dass in China bei 3300 Todesfaellen mehr als 220.000 Menschen infizert waren. Ich wuerde sogar auf weniger als 200,000 Infizierte tippen, weil China vermulich zeitweise wegen des lokalen Zusaemmenbruchs des Gesundheitssystems eine erhoehte Sterblichkeitsrate erfahren hat.

Ich glaube auch nicht, dass man die Letatlitätsrate mit den vorliegenden Daten besser schätzen kann. Die Infizierten und die Fälle sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum sinnvoll zu trennen. Daher kommt das schon hin mit den 1,5.

Die unterschiedlichen Alterszusammensetzungen der Betroffenen in den einzelnen Ländern könnte noch eine Rolle spielen. In Deutschland waren ja zunächst nur wenig ältere Leute betroffen, dass kommt ja jetzt erst.
 

KGBRUS

Gucken wat der Ball macht
Nur mal eine Frage zur Letalität.
Man nimmt die aktuelle Infiziertenzahlen (oder die derer mit Symptomen) und stellt diese mit den aktuellen Todesfallzahlen gegenüber?

Da es vergehen ja ein paar Tage zwischen Symptomen und Tot. 1-2 Wochen werden die Patienten doch beatmet. Zumindest viele. Müsste man dann nicht die Infizierten Zahlen von vor ca 1 Woche nehmen? Da der heutige Tote ja schon vor Tagen Symptome gezeigt hat. bzw sich infiziert hat.
 

Detti04

The Count
Nur mal eine Frage zur Letalität.
Man nimmt die aktuelle Infiziertenzahlen (oder die derer mit Symptomen) und stellt diese mit den aktuellen Todesfallzahlen gegenüber?
[...]
Nein. Wie Du an meinem Beispiel sehen kannst, beschraenke ich mich auf eine Kohorte und schaetze deren letztendliche Todesfaelle ab.
 

Detti04

The Count
Danke.
Wird die im allgemeinen auch so berechnet, also zum Beispiel vom RKI?
Nein, weil man nicht eine Kohorte von Faellen von Anfang bis Ende verfolgt. Stattdessen waehlt man ein Zeitfenster aus, z.B. einen Monat, und teilt die in einem Monat aufgetretenen Todesfaelle durch die im selben Monat aufgetretenen Neuerkrankungen. Das macht aber nur Sinn, wenn die Zahlen der Todesfaelle und Neuerkrankungen zeitlich in etwa konstant sind, was bei einem Ausbruch natuerlich nicht gegeben ist.

Oder um genauer zu sein: Man kann grundsaetzlich auch waehrend eines Ausbruchs einen Wert fuer die Letalitaet errechnen (errechnen kann man viel), aber die wahre Letalitaet kann man erst dann ermitteln, wenn alle Faelle einen Ausgang genommen haben. Daher halte ich es fuer aussichtsreicher, die Ausgaenge der noch offenen Faelle abzuschaetzen und anschliessend die Letalitaet zu errechnen, anstatt ein Zeitfenster zu verwenden, bei welchem man von vorneherein weiss, dass die Zahlen nicht konstant sind.
 

KGBRUS

Gucken wat der Ball macht
Nein, weil man nicht eine Kohorte von Faellen von Anfang bis Ende verfolgt. Stattdessen waehlt man ein Zeitfenster aus, z.B. einen Monat, und teilt die in einem Monat aufgetretenen Todesfaelle durch die im selben Monat aufgetretenen Neuerkrankungen. Das macht aber nur Sinn, wenn die Zahlen der Todesfaelle und Neuerkrankungen zeitlich in etwa konstant sind, was bei einem Ausbruch natuerlich nicht gegeben ist.

Oder um genauer zu sein: Man kann grundsaetzlich auch waehrend eines Ausbruchs einen Wert fuer die Letalitaet errechnen (errechnen kann man viel), aber die wahre Letalitaet kann man erst dann ermitteln, wenn alle Faelle einen Ausgang genommen haben. Daher halte ich es fuer aussichtsreicher, die Ausgaenge der noch offenen Faelle abzuschaetzen und anschliessend die Letalitaet zu errechnen, anstatt ein Zeitfenster zu verwenden, bei welchem man von vorneherein weiss, dass die Zahlen nicht konstant sind.

Ahh verstanden, Ist aber ne Rechnung mit vielen unbekannten und Schätzungen, aber ich glaub immer noch besser als eine andere. Sonst kommen ja utopische Zahlen raus.
 

Holgy

Kommischer Foggel
Moderator
Ahh verstanden, Ist aber ne Rechnung mit vielen unbekannten und Schätzungen, aber ich glaub immer noch besser als eine andere. Sonst kommen ja utopische Zahlen raus.


Nur eine kleine Anmerkung: Auch wenn man ein Zeitfenster wählt, schätzt man den Ausgang der KH für die zensierten Fälle. (so wie Detti das für seine Kohorte gemacht hat. Im Prinzip hat Detti ein größeres Zeitfenster gewählt: von Anfang des Ausbruchs bis heute.)

Und um ein mögliches Missverständnis zu vermeiden: Schätzen meint berechnen (mit Zahlen die da sind und unter bestimmten begründbaren Annahmen, daher ist das eher eine Berechnugn mit wenig Unbekannten) und nicht etwa: Ich schätze mal, die Letatlitätsrate liegt bei XYZ, wer schätzt mit?
 

KGBRUS

Gucken wat der Ball macht
Und um ein mögliches Missverständnis zu vermeiden: Schätzen meint berechnen (mit Zahlen die da sind und unter bestimmten begründbaren Annahmen, daher ist das eher eine Berechnugn mit wenig Unbekannten) und nicht etwa: Ich schätze mal, die Letatlitätsrate liegt bei XYZ, wer schätzt mit?

Ne hatte ich schon verstanden. Ich schätze dann mal auf 2,9% :)
 

Rupert

Friends call me Loretta
Es gibt das sog. SIR-Modell (susceptible-infected-removed model) wie ich gerade gelernt habe; dabei bezeichnet S die Anzahl der für die Krankheit Anfälligen, I die Anzahl der Infizierten und damit Infektiösen und R die Anzahl derjenigen, die die Krankheit nicht mehr weiter geben können (die Immunen und Verstorbenen).

Was es mit diesem Modell auf sich hat, wie es gebildet wird, was für Annahmen und Vereinfachungen drinstecken und wie man es dann ausrechnet, zeigt hier wieder der Prof. Weitz von der HAW, dessen Video zum exponentiellen Wachstum ich vor ein paar Tagen schon mal verlinkt hatte.


Das Video ist deswegen schon zu empfehlen, weil er in den ersten 5 Minuten sehr klar und verständlich darstellt was Modelle sind, wie sie gebildet werden und welche Aussagekraft sie haben können (und 'nen sehr verdienten Hieb auf die "Glauber" und selbsternannten Neu-Theorie-Aufsteller packt er auch dazu - zurecht).

Und nicht vergessen, bitte:
Der Mann zeigt und erklärt die mathematischen Prinzipien, ergänzt um Plausibilisierungen wie sie z.B. in der Physik benutzt werden. Er rechnet hier NICHT den Verlauf der Covid 19 - Infektion durch.
 
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