Zumal gestern die Anwälte wohl Statistiken vorgelegt haben, nachdem die Sterblichkeit bei Patienten dieses Apothekers niedriger sind als im Durchschnitt.
Und das ist eben genau die falsche Anwendung von Statistik, die schon von Anfang an zu erwarten war und wegen welcher ich mein Gedankenexperiment mit der Vergiftung eingefuehrt habe. Ich mach's mal an einem Besipiel klar.
Wir haben also ein Gift, welches unbehandelt im Mittel bei 50% der Vergifteten zum Tode fuehrt. Wie gesagt,
im Mittel sterben 50% - das koennen auch mal mehr oder weniger sein, denn die Sterbewahrscheinlichkeit ist eine Zufallsvariable. Das Ausmass solcher zufaelligen Schwankungen wird durch die Varianz einer Zufallsvariablen beschrieben. Grundsaetzlich unterliegt auch die Heilungsquote des Gegenmittels einer solchen Varianz; um uns das Leben in unserem Gedankenexperiment aber so einfach wie moeglich zu machen behaupten wir, dass die Varianz des Gegenmittels 0 ist und das Gegenmittel genau 10% all derjenigen heilt, die unbehandelt sterben wuerden. Alles klar soweit? Gut. Vor diesem Szenario erzaehle ich nun eine Geschichte.
Freitag
Bei einem Junggesellenabschied am Freitagabend erleiden 100 Leute eine Vergiftung. (Wie es der Zufall will, wuerden unbehandelt 60 der Vergifteten sterben. Allerdings koennen wir das nicht wissen, denn die Sterbequote kennen wir ja erst, wenn die Leute wirklich tot sind.) Zum Glueck wird Dr. D. gerufen, welcher das Gegenmittel parat hat und allen 100 Vergifteten verabreicht; er muss es allen verabreichen, weil ja auch er nicht im voraus wissen kann, welcher einzelne Patient ansonsten unbehandelt zufaellig stirbt oder nicht. Dadurch, dass Dr. D. das Mittel an alle verabreicht, rettet er 6 der ansonsten "Todgeweihten". Am Ende des Tages sind 54 Menschen tot.
Samstag
Bei einem Vereinsfest am Samstagabend erleiden wiederum 100 Leute eine Vergiftung. (Wie es der Zufall will, wuerden in diesem Fall unbehandelt nur 40 der Vergifteten sterben. Allerdings koennen wir das auch hier nicht wissen, denn die Sterbequote kennen wir ja erst, wenn die Leute wirklich tot sind.) Wieder wird Dr. D. gerufen. Leider hat Dr. D. aber sein ganzes Gegenmittel am Abend vorher verbraucht... Nichtsdestotrotz moechte Dr. D. natuerlich das Geld gerne mitnehmen... Also sagt er "Kein Problem, ich hab noch Gegenmittel!" und spritzt den Vergifteten Kochsalzloesung. Weil diese wirkungslos ist, rettet er natuerlich keinen einzigen der Todgeweihten. Am Ende des Abends sind 40 Menschen tot.
Eine Woche spaeter
Horst, einer der Ueberlebenden des Samstag, fand Dr. D.s Verhalten am Samstagabend verdaechtig, weshalb er die Spritze, die Dr. D. ihm gesetzt hatte, mitgehen liess. Zum Glueck war noch genug Material fuer eine Analyse in der Spritze; die Analyse ergibt, dass in der Spritze nie etwas anderes war als Kochsalzloesung. Horst zeigt Dr. D. an.
Ein Jahr spaeter
Vor Gericht versuchen Dr. D.s Anwaelte, dessen Unschuld zu beweisen. Ihre Argumentation ist: "Natuerlich war in den Spritzen am Samstagabend Wirkstoff enthalten, denn es sind ja weniger Menschen gestorben als im Vergleichsfall am Freitag!" Was ist von dieser Argumentation zu halten?