Apotheker-Skandal in Bottrop

Detti04

The Count
Das Gedankenexperiment kannst Du schon im Ansatz knicken, weil es nicht zum Fall passt. Vergiftung =/= Krebs.
Wieso passt das nicht? In beiden Faellen haben wir eine Notlage, die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit unbehandelt akut (=in relativ kurzer Zeit*) zum Tode fuehrt. In beiden Faellen haben wir eine Behandlung, welche die Sterbewahrscheinlichkeit verringert, aber nicht vollstaendig eliminiert.

* Beim Fall des Apothekers geht es um einen Zeitraum von 4 Jahren. Verglichen damit ist es "akut", wenn ein Krebspatient unbehandelt innerhalb eines Jahres stirbt.
 

Dilbert

Pils-Legende
Jetzt könnte es aber auch sein, dass jemand auch mit Medikament stirbt.
Das im Einzelfall zu widerlegen sollte schwierig werden.

Da sind ja offenbar tausende von unwirksamen Dosierungen rausgegangen. Gerade bei Patienten, bei denen die Behandlung vor der Panscherei gut angeschlagen hat, und deren Zustand sich danach verschlechterte, sollte was zu machen sein.
 

GaviaoDaFiel

Tussi Wagon
Wieso passt das nicht? In beiden Faellen haben wir eine Notlage, die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit unbehandelt akut (=in relativ kurzer Zeit*) zum Tode fuehrt. In beiden Faellen haben wir eine Behandlung, welche die Sterbewahrscheinlichkeit verringert, aber nicht vollstaendig eliminiert.

* Beim Fall des Apothekers geht es um einen Zeitraum von 4 Jahren. Verglichen damit ist es "akut", wenn ein Krebspatient unbehandelt innerhalb eines Jahres stirbt.

Ist nicht richtig. Die Sterbewahrscheinlichkeit der mAb-Patienten wird nicht verringert; die sind alle im fortgeschrittenen Stadium. Da geht es um ein paar Monate Lebensverlängerung bei (hoffentlich) ansprechender Lebensqualität, mehr nicht. Die Sterbequote ist hier bei gepantscht/nicht gepantscht gleich. Mit *Mord* wirst Du da als Anklager vor Gericht einen schweren Stand haben.
 
Zuletzt bearbeitet:

HoratioTroche

Zuwanderer
Und weil das eben ziemlich schwierig, langwierig und mit zweifelhafter Aussicht auf Erfolg behaftet ist, nimmt man eben was hieb- und stichfestes, eben den Betrug. Dann kann man immer noch weitersehen. Nicht dass am Ende gar nix bei rauskommt.

Gibt in der Geschichte ja genügend Beispiele, auch sehr prominente, auch deutsche. Capone, Mielke, Zschäpe.
 

BoardUser

Jede Saison ein Titel!
Admin
Moderator
Die Sache hier ist wohl den Nachweiß des Tötens zu erbringen. Weil man wohl nicht nachweisen kann das der Tot durch die direkte Folge des Handelns eingetreten ist. Hier kommt wohl, wenn überhaupt, die billige Hinnahme der Todesfolge in kauf. Selbst das ist mangels nachweiß wohl schwierig. Damit ist Mord vom Tisch und ebenfalls fahrlässige Tötung. Also auch nix mit Mörder
Somit bleibt nur noch versuchte Körperverletzung...

Also ich persönlich sehe weder in der Kausalkette noch in der so genannten "objektiven Zurechenbarkeit" ein Problem. Wohl aber im Vorsatz.

Billig in Kauf genommen reicht zwar als Vorsatz aus. Aber selbst das wird schwierig.
 

BoardUser

Jede Saison ein Titel!
Admin
Moderator
Na ja, das Merkmal der Heimtücke und Arg-und Wehrlosigkeit der Opfer ist allerdings gegeben. Zudem die Habgier.

Jep. Das haut auch für mich hin. Schon vorher kommt aber die Frage der Kausalität und Zurechenbarkeit, hinterher dann der Vorsatz. Ohne letzteren kein Mord, selbst wenn alles andere vorher passt. Totschlag dann natürlich auch nicht.
 

KGBRUS

Gucken wat der Ball macht
Also ich persönlich sehe weder in der Kausalkette noch in der so genannten "objektiven Zurechenbarkeit" ein Problem. Wohl aber im Vorsatz.

Billig in Kauf genommen reicht zwar als Vorsatz aus. Aber selbst das wird schwierig.

Zumal gestern die Anwälte wohl Statistiken vorgelegt haben, nachdem die Sterblichkeit bei Patienten dieses Apothekers niedriger sind als im Durchschnitt.
 

Rupert

Friends call me Loretta
Das mutet mir auch nach einer statistischen Korrelation an, aus der man aber so keinen kausalen Zusammenhang herstellen kann.
Oder anders ausgedrückt: Statistisch signifikant aber wissenschaftlich belanglos.
 

GaviaoDaFiel

Tussi Wagon
Und weil das eben ziemlich schwierig, langwierig und mit zweifelhafter Aussicht auf Erfolg behaftet ist, nimmt man eben was hieb- und stichfestes, eben den Betrug. Dann kann man immer noch weitersehen. Nicht dass am Ende gar nix bei rauskommt.

Gibt in der Geschichte ja genügend Beispiele, auch sehr prominente, auch deutsche. Capone, Mielke, Zschäpe.

Deshalb wird man wohl auch eher auf Körperverleztung bestehen.
 

KGBRUS

Gucken wat der Ball macht
Das mutet mir auch nach einer statistischen Korrelation an, aus der man aber so keinen kausalen Zusammenhang herstellen kann.
Oder anders ausgedrückt: Statistisch signifikant aber wissenschaftlich belanglos.

Richtig das beweist weder das eine noch das andere und somit ist der Tötungsvorwurf auch endgültig raus.
Daher auch "nur" Anklage wegen versuchter Körperverletzung. Ich befürchte, auch das wird nicht durchgehen. Allenfalls Betrug an den Krankenkassen. Wenn man denn nachweisen kann, das er persönlich gepanscht hat oder jemand nach seiner Anweisung gehandelt hat. Alles sehr Mau.... Freispruch würde mich nicht wundern
 

BoardUser

Jede Saison ein Titel!
Admin
Moderator
Nuja. Abrechnungsbetrug wird es wohl mindestens werden.
Da reichts für mich mit der Nachrichtenlage sogar zum Vorsatz.
 

Detti04

The Count
Zumal gestern die Anwälte wohl Statistiken vorgelegt haben, nachdem die Sterblichkeit bei Patienten dieses Apothekers niedriger sind als im Durchschnitt.
Und das ist eben genau die falsche Anwendung von Statistik, die schon von Anfang an zu erwarten war und wegen welcher ich mein Gedankenexperiment mit der Vergiftung eingefuehrt habe. Ich mach's mal an einem Besipiel klar.

Wir haben also ein Gift, welches unbehandelt im Mittel bei 50% der Vergifteten zum Tode fuehrt. Wie gesagt, im Mittel sterben 50% - das koennen auch mal mehr oder weniger sein, denn die Sterbewahrscheinlichkeit ist eine Zufallsvariable. Das Ausmass solcher zufaelligen Schwankungen wird durch die Varianz einer Zufallsvariablen beschrieben. Grundsaetzlich unterliegt auch die Heilungsquote des Gegenmittels einer solchen Varianz; um uns das Leben in unserem Gedankenexperiment aber so einfach wie moeglich zu machen behaupten wir, dass die Varianz des Gegenmittels 0 ist und das Gegenmittel genau 10% all derjenigen heilt, die unbehandelt sterben wuerden. Alles klar soweit? Gut. Vor diesem Szenario erzaehle ich nun eine Geschichte.

Freitag

Bei einem Junggesellenabschied am Freitagabend erleiden 100 Leute eine Vergiftung. (Wie es der Zufall will, wuerden unbehandelt 60 der Vergifteten sterben. Allerdings koennen wir das nicht wissen, denn die Sterbequote kennen wir ja erst, wenn die Leute wirklich tot sind.) Zum Glueck wird Dr. D. gerufen, welcher das Gegenmittel parat hat und allen 100 Vergifteten verabreicht; er muss es allen verabreichen, weil ja auch er nicht im voraus wissen kann, welcher einzelne Patient ansonsten unbehandelt zufaellig stirbt oder nicht. Dadurch, dass Dr. D. das Mittel an alle verabreicht, rettet er 6 der ansonsten "Todgeweihten". Am Ende des Tages sind 54 Menschen tot.

Samstag

Bei einem Vereinsfest am Samstagabend erleiden wiederum 100 Leute eine Vergiftung. (Wie es der Zufall will, wuerden in diesem Fall unbehandelt nur 40 der Vergifteten sterben. Allerdings koennen wir das auch hier nicht wissen, denn die Sterbequote kennen wir ja erst, wenn die Leute wirklich tot sind.) Wieder wird Dr. D. gerufen. Leider hat Dr. D. aber sein ganzes Gegenmittel am Abend vorher verbraucht... Nichtsdestotrotz moechte Dr. D. natuerlich das Geld gerne mitnehmen... Also sagt er "Kein Problem, ich hab noch Gegenmittel!" und spritzt den Vergifteten Kochsalzloesung. Weil diese wirkungslos ist, rettet er natuerlich keinen einzigen der Todgeweihten. Am Ende des Abends sind 40 Menschen tot.

Eine Woche spaeter

Horst, einer der Ueberlebenden des Samstag, fand Dr. D.s Verhalten am Samstagabend verdaechtig, weshalb er die Spritze, die Dr. D. ihm gesetzt hatte, mitgehen liess. Zum Glueck war noch genug Material fuer eine Analyse in der Spritze; die Analyse ergibt, dass in der Spritze nie etwas anderes war als Kochsalzloesung. Horst zeigt Dr. D. an.

Ein Jahr spaeter

Vor Gericht versuchen Dr. D.s Anwaelte, dessen Unschuld zu beweisen. Ihre Argumentation ist: "Natuerlich war in den Spritzen am Samstagabend Wirkstoff enthalten, denn es sind ja weniger Menschen gestorben als im Vergleichsfall am Freitag!" Was ist von dieser Argumentation zu halten?
 
Zuletzt bearbeitet:

KGBRUS

Gucken wat der Ball macht
Ich habe ja auch nie behauptet das dies ein schlüssiges Argument ist, das beweist gar nichts. Aber eben darum geht es es beweist nicht die Schuld. Und die Schuld muß die Staatsanwaltschaft nachweisen. Das sehe ich als schwierig an


Horst, einer der Ueberlebenden des Samstag, fand Dr. D.s Verhalten am Samstagabend verdaechtig, weshalb er die Spritze, die Dr. D. ihm gesetzt hatte, mitgehen liess. Zum Glueck war noch genug Material fuer eine Analyse in der Spritze; die Analyse ergibt, dass in der Spritze nie etwas anderes war als Kochsalzloesung. Horst zeigt Dr. D. an.

Das ist ein Beweiß, liegt ein solcher in dem Apothekerfall vor?
Mir geht es um in dubeo pro reo. Ich glaube nicht das der Nachweis eines Tötungsdeliktes zu führen ist. Anscheinend die Staatsanwaltschaft wohl auch.
Und im zweiten geht es mir darum, das jemand erst nach einem Urteil schuldig ist und nicht vorher!
 

Detti04

The Count
[...]
Das ist ein Beweiß, liegt ein solcher in dem Apothekerfall vor? [...]
Ja, tut er, und zwar sowohl fuer eine Kochsalzloesung sowie fuer mehrfache Unterdosierung. Hab ich aber auch schon in Beitrag #16 zitiert:

"[...] Der pharmazeutisch-technischen Assistentin [Maria Klein] war seit Langem zuwider, wie der Apotheker agierte: Er missachtete Hygienestandards, ging in Straßenkleidung und mit seinem geliebten Hund "Grace" ins eigentlich doch keimfreie Reinraum-Labor. Kurz nach Porwolls Strafanzeige half Maria Klein der Zufall: Eine Arztpraxis meldete, eine Patientin sei zu schwach für die Chemotherapie, man möge den Infusionsbeutel wieder abholen. Die Mitarbeiterin trug den Beutel zur Polizei, eine Analyse ergab: "keinerlei Wirkstoff".

Zweieinhalb Wochen später, am Morgen des 29. Novembers 2016, konfiszierte die Polizei bei einer Razzia im Labor 117 fertige Infusionsbeutel. 66 davon waren unterdosiert, 27 Beutel hatte Peter S. selbst angemischt. [...]"

Wer soll es denn bitteschoen sonst beweisen, wenn nicht die Polizei?
 

KGBRUS

Gucken wat der Ball macht
Ja, tut er, und zwar sowohl fuer eine Kochsalzloesung sowie fuer mehrfache Unterdosierung. Hab ich aber auch schon in Beitrag #16 zitiert:

"[...] Der pharmazeutisch-technischen Assistentin [Maria Klein] war seit Langem zuwider, wie der Apotheker agierte: Er missachtete Hygienestandards, ging in Straßenkleidung und mit seinem geliebten Hund "Grace" ins eigentlich doch keimfreie Reinraum-Labor. Kurz nach Porwolls Strafanzeige half Maria Klein der Zufall: Eine Arztpraxis meldete, eine Patientin sei zu schwach für die Chemotherapie, man möge den Infusionsbeutel wieder abholen. Die Mitarbeiterin trug den Beutel zur Polizei, eine Analyse ergab: "keinerlei Wirkstoff".

Zweieinhalb Wochen später, am Morgen des 29. Novembers 2016, konfiszierte die Polizei bei einer Razzia im Labor 117 fertige Infusionsbeutel. 66 davon waren unterdosiert, 27 Beutel hatte Peter S. selbst angemischt. [...]"

Wer soll es denn bitteschoen sonst beweisen, wenn nicht die Polizei?

Beweist das die Abgabe an mehrere Patienten? Wo ist der der Tatumstand Mord?
 

Detti04

The Count
Du hast mich gefragt, ob es einen Beweis vorliegt, dass der Apotheker eine reine Kochsalzloesung verabreicht (bzw. ausgegeben) hat. Den gibt es. Wieso jetzt die Frage nach mehr?
 

Holgy

Kommischer Foggel
Moderator
Und im zweiten geht es mir darum, das jemand erst nach einem Urteil schuldig ist und nicht vorher!

Schuld ist derjenige, der etwas getan hat und/oder dafür verantwortlich ist. Das ist völlig unabhängig davon, ob er verurteilt wird oder nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:

Rupert

Friends call me Loretta
Dass Medikamente verdünnt wurden, bzw. gar keine Medikamente mehr darstellten, steht, denk ich, außer Frage.
 

KGBRUS

Gucken wat der Ball macht
Die hat Detti ja zitiert. Siehe #46. Daher auch mein Urteil: Dieser Typ hat vielen schwerkranken Menschen die für sie bestimmten Medikamente aus reiner Profitgier vorenthalten. Viel schlimmer geht es ja wohl kaum noch.

Es ging ja auch darum, warum kein Tötungsdelikt vorliegt. Das liegt vor wenn es zu beweisen ist, da die Anklage nicht auf Mord oder Tötung läuft wird das auch nicht zu beweisen sein.
 

Rupert

Friends call me Loretta
Sie hat halt Zweifel daran; um zu versuchen es zu beweisen, müsste man ja eine Verhandlung diesbezüglich einberufen.
 

Gaudloth

Bratze
Machen wir halt mal wieder ein Gedankenexperiment, an dem auch der Rest des Forums teilnehmen kann.

Horst und seine 99 besten Freunde haben sich alle bei einem gemeinsamen Essen dieselbe Vergiftung zugezogen. Diese Vergiftung ist im Mittel in ungefaehr der Haelfte der Faelle toedlich; "im Mittel" heisst hier, dass auch unbehandelt mal mehr oder weniger als genau 50% der Vergifteten sterben. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass eine Behandlung mit einem richtig dosierten Gegenmittel die Sterbequote verringert. Zur Behandlung wird nun Dr. D. zurate gezogen, welcher den 100 Patienten das Gegenmittel spritzt. Weil Dr. D. aber geldgierig ist, hat er das Medikament verduennt: Die meisten Patienten bekommen eine zu geringe Dosis des Gegenmittels, manche sogar nur eine Kochsalzloesung. Schlussendlich sterben 50 der Patienten.

Nun die Fragen zum Nachdenken und diskutieren:
1. Denkst Du, dass mehr Patienten ueberlebt haetten, wenn das Gegenmittel in der richtigen Dosierung verabreicht worden waere?
2. Denkst Du, dass jemand auf Grund von Dr. D.s Geldgier gestorben ist?
3. Denkst Du, dass Dr. D. ein Moerder ist?

Discuss!

Das Problem ist halt zu sagen, wen er nun ermordet hat. Er hat die Heilungschance beträchtlich verringert, aber wer ist denn nun durch ihn gestorben? Das ist schwierig im deutschen Recht da einen Mord nachzuweisen.
 

GaviaoDaFiel

Tussi Wagon
Das Problem ist halt zu sagen, wen er nun ermordet hat. Er hat die Heilungschance beträchtlich verringert, aber wer ist denn nun durch ihn gestorben? Das ist schwierig im deutschen Recht da einen Mord nachzuweisen.

Er hat nicht die Heilungschance verringert, sondern die Remissionschance. Die Krankheit verläuft in gleichem Masse tödlich.
 
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